14 - Der große Krieg
Reserven in Bereitschaft gehalten wurden. Mit der Zeit entstand weitere zwei Kilometer dahinter auch eine dritte Linie, in der weitere Truppen bereitgehalten wurden, um die Soldaten in den vorderen Gräben bei Bedarf verstärken zu können. Alle 600 Meter wurden Maschinengewehre in Betonbunkern postiert. Diese Stellungen befanden sich etwa 800 Meter hinter den vordersten Linien, von wo sie das gesamte Niemandsland in ihrem Abschnitt mit tödlichem Feuer bestreichen konnten. Die Gräben waren bis zu neun Meter tief. Sie wurden zum Teil mit Holz, Erde und Steinen überdacht. Mitunter wurden die Unterstände auch mit Betondecken verstärkt und mit Türen versehen, um die Soldaten vor der Druckwelle der explodierenden Granaten zu schützen. Zwischen den Hauptlinien verliefen zahllose Verbindungsgräben. Sie waren meist eng, so dass es hier oft zu Verstopfungen kam, die den Austausch der Truppen, die Versorgung und den Abtransport der Verwundeten behinderten, was für diese fatale Folgen haben konnte. So entstand ein komplexes und unübersichtliches Labyrinth von Gräben, das von den Soldaten als apokalyptische Unterwelt erfahren wurde. Das Leben in den Gräben war hart, selbst wenn die Waffen schwiegen. Schlafgelegenheiten gab es kaum. Die Versorgung erfolgte oft unregelmäßig. Ratten waren ebenso allgegenwärtig wie Unrat und Schmutz aller Art. Im Sommer war es heiß und stickig, in den anderen Jahreszeiten kalt und nass. Oft standen die Soldaten bis zu den Knien im kalten Wasser oder im Schlamm, in den sich nicht selten Kot und Urin mischten, von Blut und Leichenteilen einmal ganz abgesehen. Wenn der Artilleriebeschuss einsetzte und die Angst hinzukam, getroffen oder verschüttet zu werden, zudem noch der Anblick toter und zerfetzter Kameraden, wurde die Unterwelt der Gräben vollends zum Inferno.
Die Deutschen gingen beim Ausbau der Schützengräben voran. Sie waren nicht nur besser dafür ausgebildet als die alliierten Soldaten, die Anlage vonfesten Verteidigungsstellungen hatte auch eine andere Bedeutung für sie. Sie stand für die Sicherung von Geländegewinnen und verband sich mit der Hoffnung, der Gegner werde irgendwann ermüden und einlenken, wenn man nur lang genug im Feindesland aushalte. Die Franzosen dagegen taten sich schwerer mit dem Übergang zur defensiven Kriegführung, weil sie auf eine baldige Rückeroberung der von den Deutschen besetzten Territorien setzten. Zwar legten auch sie Schützengräben an, aber der Schwerpunkt der Alliierten lag 1915 weiter auf der Offensive, während die Deutschen im Westen weitgehend zur Defensive übergingen und ihre Offensiven auf den Osten konzentrierten.
Die Hauptlast der alliierten Kriegsanstrengungen lag bis Mitte 1916 bei den Franzosen. Die Briten mobilisierten zwar bis Ende 1915 eine Armee von fast 2,5 Millionen Freiwilligen, die allerdings zuvor ausgerüstet und ausgebildet werden mussten und erst nach und nach an der Westfront zum Einsatz kamen. Im Januar 1915 hielten die Briten nur 50 und die Belgier 20, die Franzosen dagegen 650 Kilometer der Front. 40 Die Franzosen setzten zunächst weiter darauf, die deutschen Linien durch energische Angriffe zu durchbrechen. Ihre Offensiven in der Champagne im Februar und März scheiterten jedoch an der deutschen Verteidigung. Magere Geländegewinne wurden mit Verlusten von 250
000 Mann bezahlt. 41 Am 10. März erfolgte bei Neuve-Chapelle eine britische Offensive. Dem Angriff im Morgengrauen ging ein Artilleriefeuer voraus, bei dem in 35 Minuten mehr Granaten verschossen wurden als im gesamten Burenkrieg. Auch bei diesem Versuch konnte kein Durchbruch erzielt werden. Als der Tag zur Neige ging, hatten die Briten einen Kilometer Gelände gewonnen, dafür aber Verluste von 13
000 Mann erlitten. 42 Einen noch wesentlich höheren Blutzoll entrichteten die Franzosen im Mai und Juni bei ihren Offensiven im Artois und wieder in der Champagne. Doch auch diese scheiterten an den mittlerweile gut ausgebauten deutschen Verteidigungsstellungen. Die Franzosen verloren 300
000 Mann, darunter waren 100
000 Tote. 43
Bei diesen Kämpfen wurde deutlich, dass die Anlage von Schützengräben das Übergewicht der Defensive massiv verstärkt hatte und frontale Angriffe auf befestigte feindliche Stellungen nur zu enormen Verlusten, aber kaum zu Geländegewinnen und erst recht nicht zum Durchbruch führten. Daraus zogen nun alle Seiten vor allem einen Schluss: dass vor dem Angriff der Infanterie zunächst die feindlichen
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