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14 - Der große Krieg

14 - Der große Krieg

Titel: 14 - Der große Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Janz
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ausgeglichen werden, weil immer neue Freiwillige rekrutiert wurden. Eine deutliche Sprache sprechen auch die monatlichen Todesraten, die für die deutsche Seite bis Juli 1918 vollständig vorliegen. Sie betrugen 1,43 Prozent im August, 1,65 im September, 1,04 im Oktober und 0,88 Prozent im November 1914. Dies war ein Niveau, das in späteren Kriegsphasen nie wieder erreicht wurde, auch nicht auf dem Höhepunkt der Schlachten von Verdun oder an der Somme. 35 Und dies sind nur die Durchschnittszahlen. Sie mögen auf den ersten Blick relativ undramatisch wirken, doch was sie konkret bedeuteten, wird deutlich, wenn man sich die Verluste einzelner Einheiten vergegenwärtigt. In den ersten Kriegswochen wurden ganze Kompanien (je 250 Mann), Bataillone und Regimenter und sogar Brigaden praktisch ausgelöscht. So verlor eine deutsche Brigade am 6. August 1914 im Angriff auf Lüttich drei Viertel ihrer Männer. 36
    Wir haben zahlreiche Berichte von Soldaten, die diese ersten, extrem verlustreichen und meist vergeblichen Angriffe beschreiben, etwa diesen Bericht eines sozialdemokratischen Soldaten aus Bremen über einen deutschen Angriff am 29. September:

    »Leute, schreit Hurra, so laut ihr könnt, dann laufen die Franzosen von selbst weg, so ermunterten die Offiziere die Soldaten. Und sie schrien, wie weiland die Horden Hermanns des Cheruskers geschrieben haben mochten, als echte Germanen. Der Gegner verhielt sich indessen völlig ruhig, und mancher der Kameraden mochte wohl wirklich glauben, daß das Geschreie in der Tat die beste Sturmwaffe sei. […] Bis auf 50 Meter ließen die schlauen Franzosen die irregeführten Truppen herankommen. Dann aber brach ein Feuer aus Kanonenschlünden und Gewehrläufen auf die Braven los, daß man glauben konnte, der Weltuntergang sei gekommen. Ein dichter Hagel von Geschossen prasselte in die dichten Reihen der Deutschen hinein. Eine Verwirrung entstand, die die ganzen vorgehenden Regimenter im Nu auseinandersprengte. Alles rannte durcheinander. Offiziere traten mit 8, 10, 12 Mann als den Trümmern ihrer Kompanie den Rückzug an. Sie flüchteten bis weit hinter die Front. Jetzt ist alles verloren, hörte ich einen Leutnant sagen.« 37
    Nie wieder sind im Ersten Weltkrieg in so kurzer Zeit so viele Soldaten getötet worden wie in den ersten Schlachten des Krieges, als beide Seiten auf Offensive um jeden Preis setzten und kaum defensive Positionen aufbauten. So prallten die Massenarmeen mit ihrem gesamten Vernichtungspotenzial weitgehend ungeschützt aufeinander. 38
    Der Übergang zum Stellungskrieg war eine Antwort auf diese traumatische Erfahrung, ein erster Lernschritt, der allerdings von Hundertausenden von Soldaten mit dem Leben bezahlt wurde. Die weitere Entwicklung des Krieges an der Westfront lässt sich als eine Geschichte der taktischen Anpassung an diese Gegebenheiten beschreiben und der Versuche, die durch die strukturelle Überlegenheit der Defensive bedingte Immobilität der Kriegführung durch erhöhten Materialeinsatz oder den Einsatz neuer Waffensysteme zu überwinden. Dabei lernten beide Seiten voneinander, hatte mal die eine, mal die andere Seite die Nase vorn, ohne den entscheidenden Durchbruch zu erzielen, bevor am Ende dann die materielle und zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten, der kombinierte Einsatz neuer Waffen und die Erschöpfung und Demoralisierung der deutschen Truppen zur Entscheidung führten.
Materialschlacht und maschineller Tod
    Im Jahr 1915 wurde deutlich, in welche Sackgasse der Übergang zum Stellungskrieg führte. »Stalemate«, zu Deutsch Patt, haben es die Briten mit einem Begriff aus dem Schachspiel genannt: eine Situation, in der beide Spieler zugunfähig sind. Dieses Patt resultierte vor allem aus dem zusehends systematisierten Ausbau der Schützengräben. 39 Auf beiden Seiten entstanden nun nach und nach immer stärker befestigte und tiefer gestaffelte Stellungen, zwischen denen sich ein Niemandsland erstreckte, das meist einige hundert Meter tief war. Ende 1916 betrug die Länge der deutschen Schützengräben 16

000, die der Alliierten 12

000 Kilometer. Die vordersten Gräben wurden bald mit einem, später auch mehreren Gürteln von dichten Stacheldrahtverhauen geschützt. Mitte 1916 brachten die Deutschen wöchentlich etwa 7

000 Tonnen Stacheldraht an die Front. Zwei bis drei Kilometer hinter der ersten Linie wurde eine der feindlichen Artillerie weniger ausgesetzte zweite Linie von Schützengräben angelegt, in denen

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