14 - Der große Krieg
Tränengaspatronen, die auch bald nach Kriegsbeginn gegen die Deutschen eingesetzt wurden, um diese aus ihren Stellungen zu treiben. Doch das Tränengas war für den Straßenkampf in den Städten geeignet, im offenen Gelände erwies es sich als weitgehend wirkungslos.
Die Wirkung des Chlorgases hingegen war verheerend. Schon nach wenigen Minuten lagen Tausende von Algeriern und Kanadiern im Sterben. Die alliierten Soldaten verließen ihre Stellungen in Panik und zogen sich sechs bis acht Kilometer zurück. Die Deutschen konnten ihren Erfolg jedoch nicht voll ausnützen. Zwar waren sie mit primitiven Gasmasken ausgestattet worden und stießen auch rasch drei Kilometer vor, doch da der Angriff aufgrund der Windverhältnisse erst am späten Nachmittag begonnen hatte, brach schon bald die Dunkelheit ein. Der deutsche Vormarsch kam zum Stehen. Die britischen und französischen Truppen konnten sich in der Nacht wieder sammeln und ihre Linien stabilisieren. Für einen entscheidenden Durchbruch waren auch nicht genug Kräfte bereitgestellt worden, da der Angriff vor allem der Ablenkung von geplanten Offensiven im Osten dienen sollte. Auch die Deutschen waren also auf die Wirkung der neuen Waffen nicht vorbereitet. Zwar wurde das Gas drei Tage später erneut eingesetzt, nun aber waren die Verteidiger vorbereitet und schützten sich notdürftig durch Tücher, die sie in Wasser oder Urin tränkten. So blieb der einzigen deutschen Offensive des Jahres 1915 im Westen der durchschlagende Erfolg versagt. 48
Im weiteren Verlauf des Krieges setzten auch die Alliierten Giftgas ein, etwa bei ihren Herbstoffensiven von 1915. Beide Seiten entwickelten bald noch tödlichere Kampfstoffe als Chlorgas, und vom Ablassen des Gases in die Luft kam man rasch ab, da dieser Einsatz von den Windverhältnissen abhängig und relativ ineffizient war und überdies auch die eigenen Soldaten gefährden konnte. Stattdessen ging man dazu über, das Giftgas mit Granaten zu verschießen. Dennoch blieb die Bedeutung der Waffe begrenzt, denn schon nach kurzer Zeit hatten außer Russland alle Seiten ihre Soldaten mit immer effizienteren Gasmasken ausgestattet. Selbst die im Krieg eingesetzten Tiere (darunter sogar Hunde) wurden mit Gasmasken geschützt. Auch hier war die Defensive der Offensive also rasch wieder einen Schritt voraus. So gingen auch nur drei bis vier Prozent der Verluste an der Westfront auf Gas zurück. 1916 gingen die Deutschen nach ihren Erfolgen im Osten, auf die wir noch zu sprechen kommen, auch im Westen wieder zur Offensive über, und zwar bei Verdun, einem Ort von hoher strategischer und symbolischer Bedeutung. Hier wurde 843 die Teilung des Reichs Karls des Großen festgelegt, was als Geburtsstunde Frankreichs galt. Verdun war von einem Gürtel von 39 Forts und einem dichten Netz von Infanteriegräben, Artilleriestellungen und Maschinengewehrposten umgeben. Die Kämpfe, die von Ende Februar bis in den November dauerten, wurden für Deutsche und Franzosen zum Inbegriff der sinnlosen Materialschlacht. Das Ziel des deutschen Generalstabs war nicht der Durchbruch, sondern die Zermürbung des Feindes. Die französische Armee sollte im Wortsinn ausbluten. Man hoffte, die Kräfte des Gegners mit begrenzten Mitteln an einem Ort zu binden, den er, anders als ein paar Schützengräben an anderen Frontabschnitten, aus Prestigegründen nicht aufgeben konnte, und ihm hier durch massiven Materialeinsatz größere Verluste beizubringen, als man selber zu verzeichnen hatte. Die Franzosen ließen sich auf das grausame Spiel ein. »Ils ne passeront pas«, war die Devise: »Sie sollen nicht durchkommen.« Doch Falkenhayns Rechnung ging nicht auf. Den Deutschengelang es nicht, Verdun vom Hinterland abzuschneiden. So brachten die Franzosen von Bar-le-Duc aus über die »Voie sacrée«, den »heiligen Weg«, der einzigen Route, die außerhalb der Reichweite deutscher Geschütze lag, immer mehr Material und Soldaten nach Verdun, die häufig abgelöst wurden. Fast alle französischen Divisionen rotierten durch die »Blutmühle von Verdun«. So mussten auch die Deutschen immer mehr Kräfte einsetzen. Am Ende der Abnutzungsschlacht hatten die Franzosen 380
000 Mann, die Deutschen 340
000 Soldaten verloren und beide Seiten zusammen etwa 350
000 Tote zu beklagen. 49
In allen Augenzeugenberichten über die Hölle von Verdun spielt die schwere Artillerie und ihre Vernichtungskraft, die das Schlachtfeld in eine Mondlandschaft verwandelte, eine zentrale
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