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14 - Der große Krieg

14 - Der große Krieg

Titel: 14 - Der große Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Janz
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rechneten die Deutschen damit, dass in Belgien und Frankreich auch Zivilisten bewaffneten Widerstand leisten würden. Diese Annahme basierte letztlich noch auf dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, in dem sich nach der Niederlage der regulären Armee unter Napoleon III. bei Sedan Freiwilligenverbände gebildet hatten, die zur Grundlage der neuen republikanischen Armee werden sollten. Diese nur teilweise uniformierten »franc-tireurs« waren von den Deutschen als irreguläre und illegale Kombattanten betrachtet und nach der Gefangennahme meist hingerichtet worden. Dörfer, die ihnen Zuflucht gewährt hatten, waren mit schweren Sanktionen belegt worden.
    Die Erinnerung an diesen »Franktireur-Krieg« prägte die Erwartungen der deutschen Soldaten bei ihrem Einmarsch in Belgien und wenig später in Frankreich. Überall dort, wo sie aus der Deckung heraus beschossen wurden und den Gegner nicht eindeutig identifizieren konnten, gingen sie in den meisten Fällen davon aus, es mit bewaffneten Zivilisten zu tun zu haben, vor allem innerhalb oder in der Nähe von Ortschaften. So kam es schon in den ersten acht Tagen in der Grenzregion bei Lüttich zur Erschießung von 640 Zivilisten als Vergeltung für Angriffe vermeintlicher Freischärler. Diese Annahme war jedoch völlig unbegründet, und es gab 1914 in Belgien und Frankreich keine organisierten Freiwilligenverbände. Die Deutschen konnten daher auch keinen einzigen Franktireur überführen. 9 Und es gab auch nur sehr wenige erwiesene Fälle, in denen belgische Zivilisten gleichsam auf eigene Faust Deutsche beschossen hatten. 10
    Die Vorstellung, von Freischärlern bedroht zu sein, hielt sich jedoch hartnäckig in den Köpfen der deutschen Soldaten. Hinzu kamen Gerüchte, dass belgische Zivilisten tote und verwundete Soldaten verstümmelt hätten und auch Frauen bewaffnet wären. Dies entfachte endgültig die Paranoia der Deutschen, die bis hinauf zu den höchsten Kommandoebenen reichte, die wiederum ihre Truppen dazu anhielten, hart durchzugreifen, wo immer sie auf bewaffnete Zivilisten stießen. Die Entwicklung der Waffentechnik leistete den Wahnvorstellungen Vorschub. Die modernen Gewehre, die 1914 zum Einsatz kamen, hatten eine Reichweite von bis zu 1

500 Metern, so dass der Schütze oft nicht auszumachen war. Es war für die deutschen Soldaten daher vielfach nicht zu erkennen, ob Schüsse, die auf sie abgegeben wurden, von regulären belgischen Truppen oder womöglich doch von Zivilisten stammten. 11
    Der rasche Vormarsch der Deutschen führte überdies oft zu einer unübersichtlichen Lage, in der nicht mehr klar war, wo Freund und Feind standen. Besonders nach Einbruch der Dunkelheit beschossen sich die Deutschen daher nicht selten selbst. In diesen Fällen lag es besonders nahe, die Schuld bei vermeintlichen Freischärlern zu suchen und die Zivilbevölkerung, die sie angeblich deckte, zur Rechenschaft zu ziehen. So kam es zu zahlreichen standrechtlichen Erschießungen und Massakern. Bürgermeister, Polizisten und katholische Priester waren besonders gefährdet, weil man in ihnen Organisatoren des Widerstands sah.
    An vielen Orten machten die Deutschen bei ihren Vergeltungsaktionen jedoch keinerlei Unterschiede und erschossen auch Frauen und Kinder. Einbesonders dramatisches Beispiel ist das Massaker von Dinant, bei dem am 23. August 674 Zivilisten, ein Fünftel der Bevölkerung des Städtchens, getötet wurden. Bei ihrem Einmarsch in die südlichen Vororte nahmen die deutschen Soldaten eine größere Gruppe von Einwohnern fest. Als französische Truppen vom anderen Ufer der Maas das Feuer eröffneten, erschossen die Soldaten auf Befehl eines Majors die Zivilisten, die sich in ihrem Gewahrsam befanden, obwohl sie wussten, dass diese sich nichts hatten zuschulden kommen lassen. Die meisten der 77 Opfer waren Frauen und Kinder, darunter auch sieben Babys. 12 Die Regierung der Bundesrepublik hat sich erst 2001 bei den Nachfahren der Opfer für die Kriegsverbrechen der Deutschen in Dinant entschuldigt. Ähnliche Kriegsgräuel wurden am 19. August in Aarschot (156 Tote), am 20. August in Andenne (262 Tote) und am 22. August in Tamines (383 Tote) von den Deutschen begangen.
    Die Vergeltungsaktionen der Deutschen gingen meistens auch mit der Zerstörung von öffentlichen und privaten Gebäuden einher. Traurige Berühmtheit hat vor allem die Zerstörung der Universitätsstadt Löwen erlangt. Am 18. August zog die 1. Armee in die Stadt ein. Zahlreiche Honoratioren

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