14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Tasse getrunken; dann waren sie noch weiter hinauf gegangen, während der Wächter zurückkehrte. Auch hier folgte Omar. Als er die Glockenstube betrat, hatten sie draußen auf der Galerie gestanden und ihm den Rücken zugekehrt, im Glockenstuhl aber lag das Päckchen. Er war ihnen näher getreten und auf die Galerie hinausgestiegen, und da hatten sie ihn nun sehen müssen.
„Was willst du?“ hatte Abrahim gefragt. „Warst du nicht soeben auch bei Kolettis?“
„Was geht das dich an?“ hatte Omar geantwortet.
„Willst du uns vielleicht belauschen, Hund?“
Da hatte sich Omar erinnert, daß er ein Sohn der freien und tapfern Uëlad Merasig sei, und es war wie der Stolz und Mut eines Löwen über ihn gekommen.
„Ja, ich habe euch belauscht“, hatte er freimütig gestanden. „Du bist Abrahim Mamur, der Mädchenräuber und Juwelendieb, dessen Höhle gestern von uns ausgeräuchert worden ist. Die Rache ist dir nahe. Ich grüße dich von dem Emir aus Frankistan, der dir Güzela wieder nahm und dich aus Damaskus vertrieb. Deine Stunde ist gekommen!“
Abrahim hatte wie versteinert dagestanden; das hatte Omar benutzt und ihn blitzschnell ergriffen und über das Geländer hinausgeschwungen. Kolettis hatte einen Schrei ausgestoßen und nach dem Dolch gegriffen. Nur einen Augenblick lang hatten sie gerungen. Omar war im Nacken etwas tief geritzt worden, und das hatte ihm doppelte Kraft verliehen; auch der zweite war über das Geländer hinausgeflogen. Da aber hatte Omar bemerkt, daß Abrahim sich mit einer Hand festgehalten hatte; er nahm sein Messer und versetzte dem Todesängstigen einen Schnitt über die Hand, welche nun nachließ.
Dies war so schnell geschehen, wie man es nicht erzählen kann. Er kroch wieder in den Glockenstuhl hinein, nahm das Paket und entfernte sich. Es gelang ihm, unten unbemerkt zu entschlüpfen, trotzdem sich bereits viele Menschen um die beiden Leichen versammelt hatten.
Das erzählte er so gleichmütig, als habe er etwas ganz Alltägliches getan. Auch ich machte nicht viele Worte und verband ihm seine ungefährliche Schramme. Dann mußte er uns nach dem Vorderhause folgen, wo sein Bericht allerdings einen ganz anderen Erfolg hatte. Nur einige laute Ausrufe ausstoßend, sprangen Maflei, sein Bruder und Isla auf und rannten, ihre Muselmanns-Gravität ganz verleugnend, fort, um sich die Toten anzusehen. Sie kehrten erst nach längerer Zeit zurück und berichteten, daß man die Leichen einstweilen in das Erdgeschoß des Turmes geschafft habe. Niemand kenne jene, und auch sie hatten mit keiner Miene verraten, daß sie eigentlich Auskunft geben könnten.
Ich fragte Halef, ob er seinen alten Bekannten, den griechischen Dolmetscher Kolettis, nicht einmal ansehen wolle, und er antwortete darauf mit verächtlichem Achselzucken:
„Wenn es Kara Ben Nemsi oder Hadschi Halef Omar wäre, so würde ich hingehen; dieser Grieche aber ist eine Kröte, die ich nicht sehen mag.“
Es dauerte lange, ehe Maflei mit seinen Verwandten sich in die Tatsache gefunden hatte und sich in Ruhe über dieselbe äußern konnte.
„Es ist dies keine genügende Strafe für ihn“, sagte Isla. „Ein kurzer Augenblick der Todesangst ist nicht genügend für alles, was er getan hat. Man hätte ihn lebendig in die Hände bekommen sollen!“
„Nun bleiben noch die beiden Amasat“, fügte sein Vater hinzu. „Ob wir wohl je einen davon zu sehen bekommen werden?“
„Für euch genügt der eine: Barud el Amasat; der andere hat euch nichts getan. Wenn ihr mir versprecht, nicht gewalttätig gegen ihn zu verfahren, sondern ihn dem Richter zu überliefern, so sollt ihr in haben.“
Diese Worte riefen eine neue Aufregung hervor. Ich wurde mit Fragen und Bitten bestürmt, doch ich blieb fest und sagte nichts, bis ich das verlangte Versprechen erhalten hatte. Dann erzählte ich ihnen meine heutige Unterredung mit dem Derwisch.
Ich hatte kaum geendet, so sprang Jacub Afarah empor und rief:
„Allah kerihm! Ich errate, was diese Menschen wollen. Sie haben es auf unsere ganze Familie abgesehen, weil Isla diesen Abrahim Mamur Senitza abgenommen hat. Erst sollte ich arm werden, das ist nicht gelungen. Nun gehen sie nach Adrianopel, und dann kommt auch Maflei daran; bei seinem Lieferanten beginnen sie bereits. Wir müssen sofort schreiben, damit Hulam und Galingré gewarnt werden!“
„Schreiben?“ entgegnete Isla. „Das ist nichts! Wir selbst müssen nach Adrianopel gehen, um diesen Barut el Amasat zu fangen. Effendi,
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