14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Teppich vielleicht gar ersticken könne!
Die Bewegung, welche ich bisher gespürt hatte, hörte auf. Ich fühlte festen Halt unter mir. Man hatte mich irgendwohin gelegt; aber wohin, das wußte ich nicht. Dann war es mir, als ob ich das Knattern von Rädern vernähme; ich wurde auf und ab, herüber und hinüber geschüttelt. Ja, ich lag in einem Wagen; man schaffte mich aus Adrianopel fort!
Die einzelnen Glieder konnte ich nicht bewegen; aber die Beine anzuziehen und auszustrecken, das vermochte ich. Ich tat dies und wiederholte es so oft, bis der Teppich sich ein wenig gelockert hatte. Nun spürte ich durch die Nase doch wenigstens eine Ahnung besserer Luft; der fürchterliche Alp wich von der Brust, und ich fragte mich, ob meine Lage denn gar so hilf- und hoffnungslos sei, daß es nichts als Ergebung gebe.
So sehr und angestrengt ich lauschte, ich hörte niemand sprechen. Ich konnte also nicht erfahren, ob ich der Obhut eines oder mehrerer Menschen übergeben sei. Ich rollte mich nach rechts und dann nach links. Der Spielraum war nicht groß, der Wagen also sehr schmal, und übrigens stieß ich hüben und drüben so weich an, daß ich vermutete, man habe mich mit Stroh oder Heu bedeckt.
An der Bewegung bemerkte ich, daß ich mit dem Kopf nach hinten liege. Könnte es mir doch gelingen, da hinten vom Wagen zu stürzen! Es war Nacht und Dunkel. Ich hätte mich weit, weit fortwälzen können, um nicht gefunden zu werden, und dann wäre ich gerettet gewesen.
Ich machte die Beine krumm, stemmte die Absätze ein und schob mich nach hinten. Da fand ich aber festen Widerstand, gegen den alle Anstrengung nutzlos war. Ich mußte auf diese Hoffnung verzichten.
Nun verging eine Zeit, welche mir aus mehreren Ewigkeiten zusammengesetzt zu sein schien. Da endlich, endlich merkte ich, daß menschliche Hände sich mit dem Teppich zu beschäftigen schienen. Ich wurde um und um gerollt, bis das Paket aufgewickelt war. Ich lag in tiefem Stroh, sah, daß der Tag angebrochen war, und über mir erschien das Gesicht des Dieners Barud el Amasats.
„Wenn du mir versprichst, zu schweigen, so nehme ich dir das Tuch vom Mund“, sagte er.
Ich nickte natürlich schleunigst und mit großem Eifer. Er band mir den Knebel herab, und nun strömte – Gott sei Dank! – die reine, frische Luft in meine Lungen ein. Es war mir, als ob ich aus der Hölle in den Himmel gekommen sei.
„Hast du Hunger?“ fragte er mich.
„Nein.“
„Durst?“
„Auch nicht.“
„Du wirst Speise und Trank bekommen, und wir werden dich nicht quälen, so lange du dich schweigsam verhältst und keinen Versuch machst, die Stricke zu lösen. Bist du aber ungehorsam, so habe ich den Befehl, dich zu töten.“
Das Gesicht verschwand über mir. Ich hatte freiere Bewegung, da der Teppich mich nicht mehr umhüllte, und konnte mich in sitzende Stellung bringen. Ich befand mich im hinteren Teil eines schmalen, ewig langen Wagens, welcher mit einer Plane oder Plahe versehen war; hart vor mir hockte der Diener als mein Wächter, und vorn saßen zwei nebeneinander. Den einen von ihnen mußte ich auch gesehen haben; er gehörte zu jenen, in deren Hände ich geraten war. Der andere aber war auf alle Fälle der Fuhrmann, der Kiradschi, von welchem der Derwisch gesprochen hatte. Ich sah von ihm nichts als den Pelz, welchen der Kiradschi auch im Sommer trägt, einen ungeheuer gekrempten Hut und die Peitsche; aber der Mann, welcher unter diesem monströsen Hut und in diesem schmierigen Pelz steckte, war mir jetzt von unsagbarer Wichtigkeit.
Ich konnte mir nicht denken, daß ein Kiradschi der alten, ehrlichen ‚Schule‘ ein Verbündeter von Verbrechern sein könne, und doch konnte ich mich auch nicht zu der Annahme entschließen, daß der vorsündflutliche Pelz einen Fuhrmann neuerer Schule beherbergen könne. Man mußte das abwarten. Ich lehnte mich also an die Hinterwand zurück und behielt den Mann im Auge.
Da endlich, nach langer Zeit, drehte er sich einmal um. Sein Blick fiel auf mich. Die großen, blauen Augen blieben einige Augenblicke starr auf mein Gesicht gerichtet, dann wendete er den Kopf wieder ab. Vorher aber hatte er Zeit gefunden, die Brauen hoch empor zu ziehen und das linke Auge zuzukneifen.
Ich verstand diese Pantomime sofort. Die Bewegung der Brauen deutete mir an, daß ich aufmerksam sein solle, und der Wink des Auges wies mich auf die linke Seite des Wagens hin. Gab es dort irgend etwas für mich Vorteilhaftes?
Ich musterte die innere Seite des
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