14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
vorausgeritten, während wir glaubten, daß er nordwärts gehe.
„Sie waren dumm, alle!“ hörte ich sagen. „Am dümmsten aber war der Mann, welcher den schönen Rappen reitet.“
War da vielleicht ich selbst gemeint? Sehr schmeichelhaft.
„Wenn er die zurückgebliebenen Bejat nicht gefangen genommen und beleidigt hätte“, fuhr der Sprecher fort, „so hätten sie uns dann auch nicht sein Gespräch erzählt, welches sie belauscht hatten, und in welchem er den Weg angab, den sie einschlagen wollten.“
Jetzt war auch dieses Rätsel gelöst. Als wir uns besprachen, uns von den Bejat zu trennen, war unser Plan belauscht worden. Die Bejat hatten ihn damals als Gefangene den Bebbeh verraten, jedenfalls um sich die Milde ihrer Besieger zu erwerben.
„Dumm war er ferner“, meinte der Nachbar des vorigen, „daß er sich von dir betrügen ließ.“
„Ja. Aber dumm war auch Gasahl Gaboya, daß er uns befahl, die Reiter und den Rappen zu schonen. Um die Männer wäre es nicht schade, sondern nur um das Pferd. Nun sind uns vier entflohen, der Anführer mit ihnen, und weil sie keine Pferde mehr haben, ist es ihnen möglich, über die wildesten Berge zu fliehen. Mit den Pferden aber müßten sie den Weg einhalten, den wir ihnen unten verlegt haben.“
Die drei Bebbeh hatten Pilze gesammelt, welche sie hier ausschnitten und reinigten, ehe sie dieselben in das Lager bringen wollten. Dies gab Zeit und Gelegenheit zu einem vertraulichen Austausch der Meinungen.
„Was hat der Scheik nun beschlossen?“ fragte der Dritte.
„Er hat einen Boten hinab gesandt. Die anderen Abteilungen sollen warten, bis die Sonne am höchsten steht. Hat sich dann von den Entflohenen noch keiner gefunden, so sollen die anderen aufbrechen und zu uns stoßen, denn dann sind die Flüchtlinge sicher entkommen. Wir aber kehren heute noch zurück.“
„Was geschieht mit den beiden Gefangenen?“
„Das sind vornehme Männer, denn sie haben noch kein Wort gesprochen. Sie werden uns aber noch sagen, wer sie sind, und ein schweres Lösegeld bezahlen müssen, wenn sie nicht sterben wollen.“
Ich hatte nun genug gehört und zog mich vorsichtig wieder zurück. Diese drei waren mit ihrer Arbeit fast zu Ende, und wenn sie sich erhoben, so konnte ich sehr leicht von ihnen bemerkt werden.
Also ich war dumm, der dümmste von uns allen! Ich mußte dieses erfreuliche Kompliment leider hinnehmen, ohne es jetzt erwidern zu können. Am meisten machte mir der Umstand zu schaffen, daß bereits um Mittag aufgebrochen werden solle. Bis dahin also mußten die Haddedihn frei sein. Aber auf welche Weise?
Jetzt erhoben sich die drei Männer; ich hatte mich also gar nicht zu früh entfernt. Der, der sich für einen Dschiaf ausgegeben hatte, sagte: „Geht! Ich werde erst nach den Pferden sehen.“
Ihm folgte ich von weitem. Er führte mich, freilich ohne sein Wissen, nach einer Bodensenkung, auf deren Sohle ein Wässerchen floß. Hier waren über achtzig Pferde an die Stämme der Bäume und Sträucher gebunden, und zwar in je einer solchen Entfernung, daß sie genug Grünes fanden, ohne sich nahe kommen zu können. Der Platz war hell und sonnig, und vom ersten bis zum letzten Pferd hatte man vielleicht achthundert Schritte zu gehen.
Ich konnte von oben alles genau betrachten. Es waren ganz prachtvolle Pferde da, und im Geist las ich mir schon die sechs besten aus. Am meisten befriedigte es mich, daß nur ein einziger Kurde die Aufsicht über die Tiere hatte. Es war gar nicht schwer, ihn zu überwältigen.
Mein unfreiwilliger Führer machte sich mit einem Braunblässen zu schaffen, der vielleicht das beste Pferd des ganzen Trupps war. Jedenfalls war er der Herr desselben und ich beschloß, ihm um seines liebenswürdigen Komplimentes willen Gelegenheit zu geben, auf seinen eigenen Beinen nach Hause zu reiten.
Er sprach einige Worte mit der Wache und ging dann dem Lager zu. Ich folgte ihm auch jetzt und hatte dann die Überzeugung, daß mir in der weiteren Umgebung des Lagers kein Mensch mehr begegnen würde. Ich konnte mich also in die unmittelbare Nähe desselben wagen.
Nach einer sorgfältigen und sehr langsamen Rekognoszierung hatte ich sechzehn Hütten gezählt, die unter den Bäumen eine Art von Halbkreis bildeten. In der größten Hütte wohnte jedenfalls Scheik Gasahl Gaboya, denn sie war an ihrer Spitze mit einem alten Turbantuch geschmückt. Sie stand auf dem innersten Punkt des Halbkreises, so daß ich ihr leicht nahe kommen konnte, und neben ihr
Weitere Kostenlose Bücher