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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gesorgt.
    Nach dem Mahl wurde der Gefangene ins Verhör genommen. Er hatte bisher noch kein Wörtchen gesprochen. Jedenfalls ließ er nur deshalb alles so geduldig über sich ergehen, weil er hoffte, daß die Seinen sehr bald erscheinen und ihn befreien würden.
    „Höre, Mann“, begann ich die Verhandlung, „was bist du? Ein Dschiaf oder ein Bebbeh?“
    Er antwortete nicht.
    „Beantworte meine Frage!“
    Er zuckte nicht mit der Wimper.
    „Halef, nimm ihm den Turban ab und schneide ihm die Haarlocke herunter!“
    Das ist die größte Entehrung, die einem Kurden und überhaupt einem Muselmann widerfahren kann. Als Halef, das Messer in der Rechten haltend, mit der Linken nach der Locke griff, bat der Mann:
    „Herr, laß mir mein Haar! Ich will antworten.“
    „Gut! Welchen Stammes bist du?“
    „Ich bin ein Bebbeh.“
    „Du hast uns gestern belogen!“
    „Einem Feind braucht man nicht die Wahrheit zu sagen.“
    „Deine Grundsätze sind diejenigen eines Schurken. Du hast ferner das, was du behauptest, bei dem Bart des Propheten beschworen!“
    „Einen Schwur, den man einem Ungläubigen gibt, braucht man nicht zu halten.“
    „Du hast ihn auch Gläubigen gegeben; es sind derer vier unter uns!“
    „Das geht mich nichts an.“
    „Ferner hast du mich einen Dummkopf genannt!“
    „Das ist eine Lüge, Herr!“
    „Du sagtest, wir alle seien dumm, ich aber sei der allerdümmste! Es ist wahr, denn diese meine eigenen Ohren haben es gehört – hinter dem Lager, als ihr dort die Pilze schnittet. Ich lag hinter dem Busch und hörte euch zu; dann nahm ich euch eure Gefangenen und eure Pferde. Du magst also sehen, ob ich wirklich ein so großer Dummkopf bin!“
    „Verzeih, Herr!“
    „Ich habe dir nichts zu verzeihen, denn das Wort aus deinem Mund kann einen Emir aus Frankistan nie beleidigen. Gestern ließ ich dich frei, weil du mir leid tatest; heut befindest du dich wieder in meiner Hand. Wer ist da wohl der Kluge von uns? – Bist du der Bruder des Scheik Gasahl Gaboya?“
    „Ich bin es nicht.“
    „Hadschi Halef, schneide ihm die Locke ab!“
    Das half auf der Stelle.
    „Wer hat dir gesagt, daß ich es bin?“ fragte er.
    „Einer, der dich kennt.“
    „So sage, welches Lösegeld verlangst du?“
    „Ihr wolltet für diese beiden Männer“ – ich deutete auf die Haddedihn – „Lösegeld verlangen; ihr seid Kurden. Ich nehme nie ein Lösegeld, denn ich bin ein Christ. Ich nahm dich nur deshalb gefangen, um dir zu zeigen, daß wir mehr Klugheit, Mut und Geschick besitzen, als ihr denkt. Wer hat heute zuerst bemerkt, daß die Gefangenen fort waren?“
    „Der Scheik.“
    „Wie bemerkte er es?“
    „Er trat in sein Zelt, da fehlten die Waffen der Gefangenen und auch die Seinigen.“
    „Ich habe sie genommen.“
    „Ich denke, ein Christ nimmt nie etwas!“
    „Das ist richtig. Ein Christ nimmt nie unrechtes Gut, aber er läßt sich auch von keinem Kurden berauben. Ihr habt uns unsere Pferde erschossen, die uns lieb waren, und ich habe dafür sechs andere genommen, die uns nicht lieb sind. Wir hatten in unseren Satteltaschen viele Dinge, die wir notwendig brauchten; ihr habt sie genommen, und dafür habe ich mir die Flinte und die Pistolen des Scheik angeeignet. Wir haben getauscht; ihr habt diesen Tausch mit Gewalt begonnen, und ich habe ihn mit Gewalt beendet.“
    „Unsere Pferde sind besser, als die eurigen waren!“
    „Das geht mich nichts an, denn ehe ihr die unsrigen getötet habe, fragtet ihr auch nicht danach, ob sie schlechter waren, als diejenigen, die ich euch dafür nehmen würde. Warum wurde mein Pferd nicht erschossen?“
    „Der Scheik wollte es haben.“
    „Glaubte er wirklich, daß er es bekommen werde? Und wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte ich es mir sicher wieder geholt. Wer entdeckte heute die Abwesenheit der Pferde?“
    „Auch der Scheik. Er lief in das Zelt der Gefangenen, und als dieses leer war, rannte er zu den Pferden; sie waren fort.“
    „Fand er gar nichts?“
    „Den Wächter, der unter einem Hund lag.“
    „Was geschah mit ihm?“
    „Er wurde unter dem Hund liegengelassen zur Strafe dafür, daß er nicht aufgepaßt hatte.“
    „Fürchterlich! Seid ihr Menschen?“
    „Der Scheik hat es so geboten.“
    „Was wird da mit dir geschehen, der du auch nicht aufgepaßt hast? Ich habe hinter dem Kirschlorbeer gelegen, einen einzigen Schritt von dir entfernt; ich bin dann hinter dir zu den Pferden gegangen, von denen ich nicht wußte, wo sie waren, und dann

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