14 Tante Dimity und der gefährliche Drache (Aunt Dimity Slays the Dragon)
Staaten scheinen diese Feste verbreitet zu sein, sie dauern oft ein ganzes Jahr – im Sommer finden sie oben im Norden und im Winter im Süden statt. Jedes Festival hat sogar eine eigene Website, mit Fotos von Menschen mit Kronen auf dem Kopf, die Reden halten, und von Schwertkämpfen und so ’nem Kram. Cal hat die Bilder gesehen und beschlossen, dass ein ›Renaissance-Festival‹ oder ›Ren-Fest‹ – so nennt man das in den Staaten – genau das Richtige für ihn ist.«
»Nun«, sagte Bill ausweichend, »wenigstens hatte er ein klares Ziel vor Augen, als er nach Amerika ging.«
»Meine Frau und ich dachten, er sei verrückt geworden«, sagte Mr Malvern unbeeindruckt. »Wir erwarteten, dass er mit eingezogenem Schwanz zurückkehrt, sobald das Geld meines Bruders weg war.« Der Farmer gluckste leise und schüttelte den Kopf. »Doch da hatten wir uns gehörig in ihm getäuscht. Er hat alles richtig gemacht. Das erste Jahr ist er von einem Ren-Fest zum nächsten gereist, bis er den Bogen raus und genügend Kontakte geknüpft hatte. Aus allen möglichen Ecken der Staaten hat er uns Ansichtskarten geschickt.« Mr Malvern lächelte versonnen. »Die folgenden fünf Sommer verbrachte er bei einem Ren-Fest in Wisconsin. Er fing ganz unten an, briet zuerst Hähnchenschenkel an einem Stand, doch dann hat er sich hochgearbeitet bis zu einer Hauptrolle als Stadtschreier.«
»Ist er mit der Truppe im Winter auch in den Süden gezogen?«, fragte ich.
»Ja, das ist er«, sagte Mr Malvern. »Wir bekamen Ansichtskarten aus Texas, Kalifornien, Florida, Arizona – von überall her, wo es warm ist. Egal wo er auch hinkam, hatte er offensichtlich Erfolg. Fest steht jedenfalls, am Ende seiner sechs Jahre in Amerika hatte Cal genug Geld beisammen, um seinen großen Plan zu finanzieren. Und dieser Plan war, ein Ren-Fest nach England zu bringen.«
»In England geben sich historische Festivals die Klinke in die Hand«, sagte ich. »Warum wollte er ausgerechnet aus den Staaten noch ein weiteres importieren?«
»Das Gleiche haben meine bessere Hälfte und ich ihn gefragt«, sagte Mr Malvern. »Er erklärte uns, dass die Engländer so …« Er verzog das Gesicht, als versuchte er sich an die genauen Worte seines Neffen zu erinnern. »Die Engländer sind besessen vom sogenannten Reenactment – von der genauen Wiedergabe historischer Ereignisse und Epochen. Cal sind historische Details ja piepegal – entschuldigen Sie bitte den Ausdruck. Er kümmert sich nicht darum, ob die Leute als Kobolde kommen oder als Wikinger, die Hauptsache ist, sie haben ihren Spaß. Wie er neulich bei der Versammlung sagte, auf seiner Kirmes geht es um Unterhaltung, nicht um historische Fakten. Und darin unterscheidet sie sich von den meisten englischen Festspielen.«
»Ich finde es eine brillante Idee.« Ich schielte verstohlen zu Bill, ehe ich fragte: »Werden Sie im Kostüm erscheinen, Mr Malvern?«
»Ich werde als Patrizier kommen, was immer so ein Patrizier damals trug.« Mr Malvern zuckte gelassen die Schultern. »Cal hat das Kostüm für mich anfertigen lassen. Da kann ich ja nicht kneifen.«
Ich lächelte. »Scheint, als könnten Sie Calvin kaum etwas abschlagen.«
»Ich habe nun mal eine Schwäche für den Jungen, das kann ich nicht leugnen. Etwas an seinem Blick erinnert mich an meinen Bruder. Hin und wieder sehe ich es aufblitzen. Und er hat ein gutes Herz.«
»Er bringt jedenfalls einen frischen Wind hierher«, bemerkte ich. »Ich denke, die König-Wilfred-Kirmes ist das Beste, was Finch passiert ist, seit Kit Smith nach Anscombe Manor zurückgekehrt ist. Und mit dieser Meinung bin ich nicht allein, Mr Malvern. Jeder findet die Idee gut.«
»Solange Sie beide die Sache gut finden, bin ich zufrieden«, sagte der Farmer. »Wenn Sie auch nur ein Wort dagegen gesagt hätten, hätte ich die Sache im Handumdrehen beendet« – er schnalzte mit den Fingern –, »aber solange Sie sich nicht gestört fühlen, lass ich alles laufen wie geplant.«
Ich sah ihn überrascht von der Seite an. Obwohl ich seine Rücksichtnahme schätzte, machte mich seine offensichtliche Bereitschaft stutzig, der Kirmes notfalls noch am Vorabend der Eröffnung ein Ende zu bereiten. Es schien beinahe, als wäre er zum Cottage gekommen, um eine Entschuldigung zu finden, die Sache abzublasen. Während er seinen Tee austrank, erinnerte ich mich an meinen ersten Eindruck von ihm bei der Maiversammlung. Damals hatte ich gespürt, dass zwischen ihm und seinem Neffen etwas nicht
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