14 Tante Dimity und der gefährliche Drache (Aunt Dimity Slays the Dragon)
niedergeschmettert. Es gab kaum eine Frau in Finch, die nicht einen Nähkurs bei Sally besucht hätte. Sie hatten sich ihre Finger wundgearbeitet, um sich ein raffiniertes Gewand für die Kirmes zu schneidern. Ich verstand nicht, warum sie nun zögerten, es zu tragen.
Während ich das Bad für die Jungen einließ, grübelte ich über diese Frage nach, und langsam beschlichen mich ebenfalls Zweifel. Meine Nachbarn waren nicht dumm, sagte ich mir. Vielleicht wäre es klug, mir ein Beispiel an ihnen zu nehmen und die Kirmes zunächst als Zuschauerin zu besuchen, statt mich mit meiner üblichen Unbekümmertheit ins Abenteuer zu stürzen. Dass die Zwillinge und ihre Ponys ihre jeweilige Verkleidung trugen, war ja einleuchtend, waren sie doch Teil des offiziellen Gepränges, doch vielleicht war es für Bill und mich ratsam, erst einmal die Lage zu sondieren und in Zivil zu erscheinen.
»Dimity«, murmelte ich und traf einen Entschluss. »Du wirst stolz auf mich sein. Das erste Mal werde ich erst schauen, bevor ich springe.«
Während ich zwei Gummienten zu Wasser ließ, spürte ich förmlich ihre wohlwollende Anerkennung.
6
ICH HÄTTE NICHT sagen können, wer am nächsten Morgen aufgeregter war – die Zwillinge oder ich. Bei Tagesanbruch stand ich auf und war voller Tatendrang, während die Zwillinge müde hinter mir hertrotteten. Wir hatten schon unseren Porridge gegessen, als Bill die Treppe herunterkam und sich zu uns an den Frühstückstisch setzte. Eine Weile lang beobachteten wir ihn beim Essen, konnten aber unsere Ungeduld kaum verbergen. Um Will und Rob davon abzuhalten, ihren Vater zwangsweise zu füttern, scheuchte ich sie aus der Küche, damit sie mir halfen, den Range Rover zu beladen.
Ich schickte sie mit Bills Rucksack zum Wagen, den ich mit allem bestückt hatte, von dem ich dachte, dass die Jungen es unterwegs brauchen könnten: Sonnenschutzcreme mit extrem hohem UV-Filter, Regencapes, warme Pullover, Snacks für zwischendurch, Mineralwasserflaschen, ein Paar extra Schuhe für die Zwillinge und einige weitere Kleinigkeiten. Ein kurzer Blick zum wolkenlosen Himmel sagte mir, dass die Sonnencreme wahrscheinlich eher zum Einsatz kommen würde als Pullover und Regencapes, doch ich hatte oft genug am eigenen Leib erfahren, wie trügerisch schönes Wetter in England bisweilen war, da es sich im Handumdrehen in ein Unwetter verwandeln konnte.
Während Rob und Will den vollgestopften Rucksack zum Wagen schleppten, verstaute ich ihre Kostüme in einem Kleidersack, wo sie geschützt waren, bis die Jungen sie auf der Kirmes anziehen würden. In der Nacht hatte ich beschlossen, zusätzlich zu ihren schwarzen Reithosen und Stiefeln die Tunikas einzupacken, die Sally Pyne für sie genäht hatte. Strumpfhosen und weiche Lederschuhe dazu wären zwar authentischer gewesen, aber Breeches würden im Sattel bequemer sein und Reitstiefel sicherer.
Sally hatte sich bei den Tunikas selbst übertroffen. Robs Gewand war dunkelblau und hatte einen Gürtel mit einem wunderschönen keltischen Muster in Silber, einen Stehkragen und weite Manschetten. Wills Tunika war scharlachrot und der dazu passende Gürtel mit Goldstickerei verziert. Die Jungen hatten sich geweigert, mir ihre Kostüme vorzuführen – ich sollte sie tatsächlich erst zu sehen bekommen, wenn sie im Sattel ihrer ebenfalls verkleideten Ponys bei der Parade erschienen –, doch Sally hatte mir versichert, dass ihr Aufzug den Söhnen einer Adelsfamilie äußerst angemessen sei. Ihre Worte hatten mir ungemein geschmeichelt. In meinen Augen waren meine Söhne schon immer kleine Prinzen gewesen, und so fand ich es nur logisch und angebracht, dass sie sich als solche verkleideten.
Ich warf einen letzten zufriedenen Blick auf die Tunikas, dann verschloss ich den Kleidersack und eilte damit hinaus zu den Jungen, denen es gelungen war, den Rucksack in den Kofferraum des Rovers zu hieven. Sie waren bereits wieder auf dem Rückweg zur Küche, entschlossen, ihren Vater vom Frühstückstisch wegzuzerren, als er aus dem Cottage trat, in Baseballkappe, Poloshirt, Khakishorts und Turnschuhen.
»Warum seid ihr nicht im Wagen?«, fragte er die Jungen mit gespieltem Erstaunen. »Ihr wollt doch nicht zu spät kommen, oder?«
Will und Rob kletterten rasch in den Rover. Ich schnallte sie in ihren Kindersitzen an, küsste sie zum Abschied und ermahnte sie, sich zu benehmen. Ich war drauf und dran, ihnen einen kleinen Vortrag über Sicherheitsvorkehrungen beim Reiten zu halten,
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