140 - Die Loge des Gehenkten
Rolle gespielt und uns wertvolle Dienste geleistet.
Er war zumeist sehr wortkarg, antwortete nur, wenn er gefragt wurde, und faßte sich immer sehr kurz. Deshalb war es auch nicht einfach, sich mit ihm zu unterhalten.
Dennoch mochte ich ihn sehr, und ich schätzte seine Geradlinigkeit und seine Zuverlässigkeit. Diese Vorzüge waren mehr wert, als wenn er den ganzen Tag wie ein Wörterbuch geplappert hätte.
Wieder einmal hatte er bewiesen, wie wertvoll er für uns war, und wir hatten ihn als gnadenlosen Kämpfer erlebt. Kaum zu glauben, daß er einst geschaffen worden war, um mich zu töten.
Heute betrachtete er sich als mein Diener, von dem ich alles, wirklich alles verlangen konnte.
Ich erwähnte den blauen Kristall des schwarzen Druiden, denn dieses Thema beschäftigte mich zur Zeit am meisten. »Kannst du nichts zu einem Erfolg beitragen?« fragte ich.
»Ich fürchte, nein, Herr«, kam es hohl und rasselnd aus dem Mund des weißen Vampirs.
»Der magische Kristall leistet bei den Tests Widerstand«, sagte ich. »Kannst du den nicht schwächen?«
»Vielleicht könnte ich das, aber dann würde der Kristall in seiner Gesamtheit schwächer werden.«
»Und die verbleibende Kraft würde uns dann nicht mehr den Weg zu Mr. Silver zeigen«, sagte ich.
»Das wäre zu befürchten«, pflichtete mir die graue Dampfgestalt bei.
»Na schön, dann müssen wir eben versuchen, ohne deine Hilfe auszukommen.« Ich nahm einen Schluck vom Pernod, ließ die scharfe Flüssigkeit um meine Backenzähne kreisen und schluckte sie genießend. »Soll ich dir etwas verraten, Boram? Ich vermisse Mr. Silver. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich nur noch die Hälfte wert. Metal… Er sieht aus und kämpft wie sein Vater, und ich vertraue ihm auch, seit er die Fronten gewechselt hat, aber er ist für mich kein vollwertiger Ersatz für Mr. Silver. Frag mich nicht, woran das liegt. Ich weiß es nicht. Es ist einfach so.«
Wieder nippte ich an meinem Drink. Bald war das Glas leer, und ich fühlte mich blendend.
Das sollte Vicky zugute kommen.
***
Nero Quater sprengte die Enge seines Grabes und erhob sich - ein großes, schwarzes Skelett, dessen Bewegungen im Moment noch ungelenk waren. Immerhin hatte seine Gebeine hundert Jahre unter der Erde gelegen.
Er war wieder da - nach hundert Jahren!
Er sah jetzt zwar anders aus, aber sein Name war immer noch Nero Quater, und er hatte damals, als sie ihn aufhängten, etwas gesagt, das immer noch Gültigkeit hatte.
Obwohl man ihn ein halbes Jahr vor seinen Schwestern hingerichtet hatte, wußte er, daß man sie links und rechts von ihm beigesetzt hatte, und sie warteten wie er darauf, zu neuem Leben erweckt zu werden.
Die Kraft, die zu ihm hinabgedrungen war und seine Gebeine schwarz gefärbt hatte, würde ausreichen, um auch Raquel und Claire aus ihren Gräbern zu holen.
Und dann würde das Knochentrio in Angriff nehmen, was getan werden mußte. Nero Quater und seine Blutschwestern würden einen Mantel aus Grauen, Angst und Tod über das Dorf breiten.
Niemand würde vor ihnen sicher sein. Ein Alptraum, wie er schrecklicher nicht sein konnte, sollte die Menschen peinigen, deren Vorfahren es gewagt hatten, die Quater-Geschwister hinzurichten.
Das schwarze Skelett hob die Arme und streckte sie seitlich aus. In seinen leeren Augenhöhlen glomm ein höllisches Feuer. Der rötliche Schein legte sich auf die Gräber der Blutschwestern, und Nero Quater sandte einen schwarzmagischen Impuls in die Erde, einen dämonischen Befehl, der die hundertjährige Totenstarre zerbrach.
Raquel Quater reagierte als erste. Es dauerte nicht lange, bis zu sehen war, daß sie sich bewegte. Auch über ihr riß die Erde der Länge nach auf.
Sie wühlte sich nach oben, und wenig später stieß ihre Knochenhand hoch. Ihre Gebeine hatten sich nicht verfärbt, Hand und Arm waren bleich.
Ihre Schulter wurde sichtbar, dann der Brustkorb, Hals und Kopf. Schließlich entstieg sie ihrem irdischen Gefängnis - ein Skelett mit langen blonden Haaren. Eine Laune der Hölle, ihr das Haar zu lassen.
Raquel trat auf ihren Bruder zu, und nun erhob sich auch Claire Quater. Auch ihr war das Haar geblieben. Lang und schwarz floß es ihr auf die knöchernen Schultern.
Als Claire vortrat, war das Trio des Schreckens komplett.
***
Ich betrat unser gemeinsames Schlafzimmer. Vicky lag bereits im Bett und lächelte mich vielversprechend an. Ihr Nachthemd war ein zartes Nichts, unter dem ich die dunklen Spitzen ihrer Brüste sah.
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