140 - Zombies auf der Reeperbahn
darüber auf. Die Hauptsache waren die Girls und die
Gespräche, die man mit ihnen nach langer Fahrt auf See führen konnte.
Aber nicht nur Seeleute verkehrten in der
Sex-Kneipe, in der es Separees gab, eine kleine Bühne, auf der später
Striptease geboten wurde und einen Filmraum, in dem harte Streifen gezeigt wurden. Mit weiblicher Begleitung wurde der Besuch eines
solchen Kinos natürlich teurer.
Weiter vorn begann die sündigste Meile der
Welt. Die Große Freiheit. Aber so weit ging Martens gar nicht.
Ihm kam es darauf an, schnell etwas zu
trinken, eine Zigarette zu rauchen und Menschen um sich zu haben. Normale
Menschen.
Er steuerte die Bar an.
Eine schwarzhaarige Schöne, die über einem
Tanga nur einen hauchdünnen Schleier trug, war sofort an seiner Seite.
»Hallo !« sagte sie
und strahlte ihn an, als freue sie sich riesig, ihn wiederzusehen. Dabei waren
sie sich noch nie begegnet. »Du siehst so traurig aus. Ärger mit der Familie?
Oder hat dir einer die Brieftasche geklaut?
»Weder das eine noch das andere. Ich hab’
Lust auf ’nen Drink ...«
»Vielleicht darf's anschließend noch mehr
sein ?«
»Warum nicht«, sagte er, sich ganz auf das
Milieu einstellend. »Ich hab’ ’ne Schwäche für grazile Schwarzhaarige .«
Eine Minute später hielt er sein Glas in der
Hand, das Animier-Girl ebenfalls.
»Ich heiße Minouche«, sagte sie mit
verführerisch klingender Stimme.
»Der Name paßt zu dir .« Er wußte genau, daß es ihr »Künstlername« war. Wie sie richtig hieß, wußte
wahrscheinlich nur der Besitzer des Amüsier-Betriebes mit dem beziehungsreichen
Namen »Einäugiger Pirat«.
Sie prosteten sich zu.
Martens trank einen doppelstöckigen Whisky
mit viel Soda. Minouche trank viel Soda mit einem Schuß Cola, um dem Drink wenigstens
den Anschein zu geben, daß »etwas drin« sei.
Mertens verschluckte sich, als er plötzlich
den Mann erkannte, der im Halblicht der Kneipe an der anderen Seite des Tresens
auftauchte, nach einem Mädchen griff und den Arm um ihre Hüften legte. Er zog
sie an sich, und sie küßten sich.
Der Mann war niemand anders als - Piet
Termans!
Dr. Martens setzte sein Glas ab und hob schon
die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.
Da konnte er seinen Auftrag doch noch
erfüllen und Termans von der Überraschung Mitteilung machen, daß seine Mutter
und sein Bruder heute abend noch in Hamburg eintreffen würden. Er sollte sich
auf alle Fälle in Schale werfen und in einem anständigen Hotel Unterkunft
suchen. Zwei Namen hatte Gerd Termans ihm zur Auswahl angegeben.
Martens aber entschloß sich im letzten
Augenblick anders.
Piet kam von dem Schiff, mit dem etwas nicht
stimmte.
Wußte er etwas von den mysteriösen Vorfällen
an Bord - oder war er ahnungslos? Hatte sich vielleicht nach seinem Landgang
etwas auf der »Anja T .« ereignet, von dem er keine
Ahnung hatte?
Das Schiff kam aus Afrika. Hatte einer der
Matrosen oder der Kapitän sich auf einen Zauber mit einem Medizinmann
eingelassen? Es wurde behauptet, daß die primitiven Völker oft geheimnisvolle
Kräfte beherrschten, die in der Zivilisation untergegangen waren.
Waren die Zombies auf der »Anja T .« die Rache eines Mannes, der vielleicht gegen seinen
Willen zu der Reise gezwungen worden war?
Allerlei merkwürdige Gedanken gingen dem Arzt
durch den Kopf, Gedanken, die er unter anderen Umständen für lächerlich
gehalten hätte, aber nach den Ereignissen nicht mehr für lächerlich hielt.
Er stellte sein Glas auf den Tisch zurück und
sah, daß Termans mit der kurvenreichen Blondine durch einen Hinterausgang
verschwand.
»Ich bin gleich wieder zurück, Minouche«,
sagte er zu seiner »Unterhalterin«.
»Für kleine Jungs gleich hinten rechts«,
bemerkte sie, als sie seinen Blick registrierte.
»Ich weiß. Das riesige Hinweisschild ist mir
nicht entgangen«, grinste er und versetzte dem Girl milieugerecht einen Klaps
auf den strammen Hintern.
Minouche lachte leise und blinzelte ihm
vielversprechend zu. »Bleib nicht zu lang«, ließ sie ihn wissen. »Ich werde
Mühe haben, die Freier abzuweisen .«
»Bewach’ einstweilen meinen Whisky, daß den
niemand aus Versehen in sich kippt.« Mit diesen Worten verschwand er im
Gedränge und verließ etwa eine viertel Minute hinter Termans und dessen
Begleiterin den Bar-Raum.
Das Licht in dem engen Gang bestand aus einer
roten Birne, die verstohlen hinter einem bis zur Decke wachsenden Gummibaum
befestigt war. Der Baum mit seinen großen, glänzenden
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