1402 - Die Drachenwelt
Gaih Zahidi und Iruna von Bass-Teth waren auf Rhodans Bitte zur Brücke hinaufgeklettert; Iruna, weil sie als einziges Mitglied des Erkundungstrupps ein Syntroskop mit sich führte, ein syntronisch gesteuertes Teleskop vom ungefähren Aussehen eines kleinen Feldstechers - und die Sana wegen ihrer außerordentlich scharfen Augen.
Sie hielten Ausschau nach den Trümmern eines Wüstenschiffes, bei denen sich die Toten oder Sterbenden befinden mußten, von denen Roq Rahee gesprochen hatte.
Aber weder Nurias scharfe Augen noch Irunas teures High-Tech-Gerät entdeckten das Gesuchte zuerst, sondern es war Qon Shutre, der ständig neben dem Kapitän stand.
Er deutete plötzlich mit steif ausgestrecktem Arm nach vorn und rief: „Nurukunahae, Nurukunahae!"
Unten auf dem Schiffsdeck wimmelten die Tronahae plötzlich schreiend durcheinander. Die Planen flogen von den Waffen - und die Katapulte, Ballisten und Federgranatwerfer schwenkten herum. „Wo soll der Wüsten-Killerkrake sein?" fragte Nuria und blickte angestrengt in die angezeigte Richtung. „Ich sehe nur ein paar Vertiefungen im Sand."
Der Name „Wüsten-Killerkrake" war die Übersetzung des Wortes Nurukunahae aus dem Hangoll ins Interkosmo.
Iruna musterte mit Hilfe des Syntroskops ebenfalls die bezeichnete Fläche - und das Gerät zeigte ihr Sekunden später Bewegungen am Rand der Vertiefungen.
Es waren winzige Bewegungen, die nur dann verdächtig erscheinen konnten, wenn man mit dem Phänomen so vertraut war wie die Tronahae - beziehungsweise, wenn man darauf aufmerksam gemacht wurde. „Der Nurukunahae ist eine Art walzenförmiger großer Wüstenwurm, der fast immer unter der Oberfläche lebt und zweiunddreißig Tentakelarme besitzt", erklärte der Kapitän unterdessen. „Wenn ein Wüstenschiff über ihn hinweggleitet - oder ein großes Lebewesen über seine Position läuft -, dann schießen seine Tentakelarme blitzschnell empor und packen die Beute. Sie sind so stark, daß sie ein Wüstenschiff zerbrechen können. Die Trümmer und Besatzungen werden unter den Sand gezogen, wo der Killerkrake ihnen die Nährstoffe entnimmt, die er braucht. Den Rest schiebt er anschließend wieder nach oben. Darauf warten die Schwarzen Drachen."
Iruna blickte mit dem Syntroskop nach oben und sah reptilienartige Lebewesen von etwa Pelikangröße, aber mit Flughäuten bis zu acht Metern Spannweite, in großer Höhe kreisen. Ihre lederartige Haut war überall schwarz, einschließlich der Flughäute und der langen Hälse. Die Köpfe waren ähnlich geformt wie die von Pteranodons, den flugfähigen Reptilien der terranischen Jurazeit.
Es mußten mindestens dreihundert dieser Drachen sein, die über dem Gebiet mit den Vertiefungen kreisten und ganz offensichtlich darauf warteten, daß der Killerkrake der Wüste die Reste seiner Opfer wieder nach oben beförderte.
Doch die Akonin sah noch etwas anderes.
Im Nordwesten hing eine kleine weiße Wolkenballung niedrig über dem Horizont.
Sie schwoll fast unmerklich an und breitete sich dabei aus. Für die ehemalige Spitzenagentin des akonischem Energiekommandos, die sich während ihrer Ausbildung auch intensiv mit planetarischer Wetterkunde befaßt und danach in vielen Einsätzen durch reichhaltige Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt hatte, waren diese Zeichen jedoch eindeutig.
Feuchtheiße Luftmassen aus Südwesten und Kaltluft aus Nordosten stießen dort zusammen und kochten ein Wetter aus, das mit großer Wahrscheinlichkeit einen Zyklon gebären würde. „Wie lange brauchen wir noch bis Metemoa?" wandte sie sich an den Kapitän. „Drei Stunden", antwortete Roq. „Aber bevor wir weiterfahren, müssen wir die Überreste der Opfer des Killerkraken bergen."
„Er braucht noch mindestens eine Stunde, um ihnen die Körpersäfte zu entziehen und das weichere Holz ihres Schiffes zu verdauen", warf Qon ein. „Gibt es eine Möglichkeit, ihn aufzuscheuchen?" fragte Nuria mit glitzernden Augen. „Wir könnten mit der QINTARRO über ihn hinwegfahren", meinte Roq. „Doch wenn wir nicht schnell genug sind, packt der Killerkrake uns. Dann gibt es kein Entrinnen."
„Dann müssen wir eben schnell genug sein", entgegnete die Sana. Ihre Nasenflügel blähten sich, und plötzlich sah sie in die Richtung, in der Iruna kurz zuvor die ersten Anzeichen eines sich zusammenbrauenden Unwetters bemerkt hatte. „Der Wind frischt auf", stellte sie fest. „Wenn ihr so gut segelt, wie ich denke, könntet ihr die Brise ausnutzen und schnell genug
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