1409 - Der Kopf des Zwillings
Flasche Wasser.
Auf dem Schreibtisch neben dem Computer lagen einige Schriftstücke neben einer gefalteten Zeitung. Der Computer war nicht heruntergefahren worden, und alles wies wirklich darauf hin, dass der Besitzer gleich zurückkehren würde.
Suko schaute mich mit einem Blick an, der eine Frage erübrigte.
»Es sieht alles normal aus«, sagte ich. »Nur habe ich das eigenartige Gefühl, dass die Dinge nicht so normal sind, wie sie uns beiden hier erscheinen.«
»Richtig.«
»Wir können hier warten.«
»Das denke ich auch«, sagte Suko. Er wollte sich einen Platz aussuchen und ging auch zwei Schritte auf die Sitzgruppe zu, als er mitten in der Bewegung stoppte, weil er einen Blick nach rechts geworfen hatte.
»Komm mal her, John.«
An seiner Stimme erkannte ich, dass etwas nicht stimmte. Sein Gesicht sah aus wie gemeißelt.
Ich ging zu ihm, schaute ebenfalls in seine Richtung – und erhielt einen inneren Kälteschock.
Neben dem Stuhl hinter dem Schreibtisch lag ein Mann. Er war tot. Um seine Kehle hatte jemand eine Schlinge gelegt und so lange zugezogen, bis der Mann gestorben war…
***
Mit diesem Anblick hatten wir nicht gerechnet, und deshalb ging er uns auch unter die Haut. Neben mir stieß Suko ein Zischen aus, und ich hatte den Eindruck, auf schwankendem Boden zu stehen. Von nun an hatte der Fall eine ganz neue Dimension bekommen. Eine Gänsehaut rieselte über meinen Körper.
Der Mann war nicht älter als zwanzig. Er lag vor uns mit offenem Mund und ebenfalls weit aufgerissenen Augen.
Suko bückte sich. Er ging auch näher an den Toten heran und interessierte sich besonders für dessen Hals, um den das verdammte Würgeband lag.
»Schau dir das an, John!«
Ich stellte die Aktentasche neben den Schreibtisch und sah dann, was Suko meinte. Der Mann war nicht mit einer normalen Schnur umgebracht worden. Auch nicht durch eine aus Seide, wofür asiatische Killer bekannt waren. Um seinen Hals herum spannte sich etwas Grünes. Also grüne Bänder, die meiner Ansicht nach von irgendwelchen Pflanzen stammten.
»Weißt du, was das ist, John?«
»Ich kann es mir vorstellen. Lianen, um es mal allgemein zu sagen.«
»Richtig. Das bringt mich wieder auf einen bestimmten Gedanken.«
Er brauchte ihn nicht auszusprechen, denn auch ich wusste, dass er an Aibon dachte.
Der Zwerg. Er musste hier gewesen sein, um den Mann zu töten.
Aber wir glaubte nicht, dass es sich bei dem Opfer um Mike Petrakis handelte. Erst mal vom Alter her, aber auch das Aussehen sah nicht unbedingt südeuropäisch aus. Der Tote mit seinen blonden Haaren schien eher aus dem Norden oder Westen zu stammen.
»Was ist mit Petrakis?«, fragte Suko leise.
»Geflüchtet.«
»Kann sein. Aber ich glaube nicht, dass er der Mörder ist. Vielleicht wollte man ihn warnen. In diesem Fall, John, ist vieles denkbar.«
»Wovor warnen?«
»Es geht um den Kopf. Dieser Zwerg will ihn haben. Bei den Lesters hat er ihn nicht gefunden, also nimmt er sich die nächste Station vor, wo er möglicherweise sein könnte. Aber auch hier hat er Pech, obwohl er es nicht glauben will.«
»Petrakis wird mehr wissen«, sagte ich und wollte etwas hinfügen, als Suko mich anstieß und zugleich einen Finger auf die Lippen legte. Er wies zudem mit dem Zeigefinger der anderen Hand nach unten und machte mir so klar, dass ich in der Hocke bleiben sollte.
An der Tür hatte er etwas gehört, und plötzlich wurde sie aufgestoßen. Wer immer das Zimmer betrat, er würde uns nicht sofort sehen können, weil wir hinter dem Schreibtisch hockten, aber wir konnten unter ihm hinwegschauen und entdeckten die beiden Männerbeine. Der Mann trug eine graue Hose, und er war auch zu hören.
Es war ein Schluchzen, das von schweren Stöhnlauten unterbrochen wurde.
Wer so reagierte, der litt unter starken Problemen. Wir sahen, dass er sich auf den Schreitisch zubewegte und rechneten damit, dass er um ihn herumging, was er allerdings nicht tat. Er blieb an der anderen Seite stehen, atmete keuchend und flüsterte Sätze, die ich nicht verstand.
Suko und ich schaute uns an.
Mein Kopfnicken reichte aus.
Eine Sekunde später schossen wir hinter dem Schreibtisch in die Höhe und starrten in das aufgequollene Gesicht eines dunkelhaarigen Mannes, der mit einem heftigen Schrei zurückfuhr, als hätte er den Teufel persönlich gesehen…
***
Bevor irgendetwas passierte, das uns Probleme brachte, reagierte Suko. So kam Mike Petrakis nicht dazu, die Flucht zu ergreifen, weil er uns
Weitere Kostenlose Bücher