1409 - Der Kopf des Zwillings
möglicherweise für Mörder hielt, denn Suko war viel schneller und hielt ihn mit beiden Händen fest.
Ich sprach auf Petrakis ein. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Mr. Petrakis. Wir sind von der Polizei.«
Ob er mich verstanden hatte, wusste ich nicht. Noch immer machte er den Eindruck eines Menschen, der mit seinen Nerven so ziemlich am Ende war.
Ich zeigte ihm meinen Ausweis und sah, dass er nickte. Ob er wirklich begriffen hatte, stand in den Sternen.
Suko dirigierte Petrakis zur Sitzgruppe hin, wobei er seine Griffe etwas gelockert hatte. Der Mann musste sich so hinsetzen, dass er nicht auf die Leiche zu schauen brauchte.
Auf einer Fensterbank standen zwei Flaschen Wasser. Eine davon nahm ich und ebenfalls ein Glas.
Mike Petrakis sagte nichts. Es saß reglos in seinem Sessel und schaute ins Leere. Seine Lippen zitterten, doch ein vernünftiges Wort brachte er nicht hervor.
Als ich ihm Wasser eingeschenkt hatte und ihm das Glas reichte, da bedankte er sich mit einem Nicken. Er trank in langen Schlucken und setzte das Glas ab.
»Können Sie jetzt reden, Mr. Petrakis?«, fragte ich.
»Werde es versuchen«, flüsterte er.
»Gut.«
Er blieb weiterhin starr sitzen und schaute uns beide an, als er fragte: »Sie wollen mich jetzt verhaften, nicht?«
»Nein«, erklärte Suko.
»Warum nicht?«
»Weil wir Sie nicht für den Mörder des jungen Mannes halten. So simpel ist das.«
Der Mann, der zur dunklen Hose ein legeres Jackett trug, senkte den Kopf. »Ich bin es auch nicht gewesen.«
»Aber Sie wissen, wer es war?«
Mit den gespreizten Fingern fuhr er durch sein dichtes schwarzes Haar. Es hatte die gleiche Farbe wie der Oberlippenbart.
»Ja, ich weiß es wohl«, murmelte er nach einer Weile, »aber ich habe ihn nicht so direkt gesehen.«
»War es der Zwerg?«, fragte ich.
Er zuckte zusammen, hob danach seine Schultern an und blieb in dieser Haltung sitzen.
»Wir wissen davon«, sagte ich.
»Haben Sie ihn gesehen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, gab er zu. »Und trotzdem weiß ich, dass er es getan hat.«
»Was macht Sie denn so sicher?«
Er senkte wieder den Blick. »Die Warnung in der Nacht. Ich habe eine Warnung erhalten. Am Telefon. Man sagte mir, dass ich den Schädel bereithalten soll…« Er holte Luft. »Verdammt noch mal, ich hatte keine Ahnung, die habe ich auch jetzt noch nicht. Ich weiß nicht, welchen Schädel der Anrufer meinte. Ich habe ihn noch ausgelacht und aufgelegt. Ja, und dann hat er mich am frühen Morgen besucht.« Petrakis schüttelte den Kopf. »Wie er in mein Büro gekommen ist, das weiß ich nicht. Jedenfalls war er da, sprach wieder von diesem verdammten Schädel, und als ich meinen Schock über sein Erscheinen überwunden hatte, drohte er mir. Er gab mir noch zwei Stunden, danach würde er andere Saiten aufziehen.«
»Was er ja getan hat.«
»Ja, ich war kurz weg und habe Tony Jenkins so lange allein im Büro zurückgelassen. Er ist mein engster Mitarbeiter. Ich kam zurück und fand ihn tot…«
Er konnte nicht mehr sprechen und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Wir ließen ihm die Zeit, bis er sich wieder beruhigt hatte. »Was haben Sie danach getan?«, wollte Suko wissen.
»Ich bin gegangen. Ich war auf der Toilette. Mir ist verdammt übel geworden. Ich musste mich übergeben und habe mein Gesicht dann unter kaltes Wasser gehalten. Danach bin ich wieder in mein Büro zurückkehrt, und jetzt sitze ich hier.« Er machte einen verdammt hilflosen Eindruck. »Ich weiß auch nicht, was diese Frage nach dem Schädel sollte. Ich kenne ihn nicht, ich habe ihn nie gesehen. Mit Schädeln oder Köpfen habe ich doch nichts zu tun. Mir geht es um Holz. Ich führe Rodungen durch oder fälle Bäume.«
»Dann hat der Zwerg sich geirrt«, sagte Suko. »Er wollte eigentlich Sie töten.«
»Klar. Es ist so grauenhaft, dass ich darüber gar nicht nachdenken will. Ich weiß auch nicht, was ich machen soll.«
Wir glaubten ihm jedes Wort. Dass er von der Rolle war, das konnte ich leicht nachvollziehen.
Nach einer Weile war er wieder in der Lage, eine Frage zu stellen.
»Und Sie glauben, dass dieser Zwerg Tony Jenkins umgebracht hat?«
»Davon gehen wir aus«, erwiderte Suko.
Mike Petrakis rutschte unruhig hin und her. Es lag auf der Hand, dass ihn die letzte Antwort stark beschäftigte. Er blieb sehr unsicher bei seiner Frage.
»Aber gibt es denn Zwerge in der Wirklichkeit? Das sind doch Märchengestalten, dachte ich.«
»Da haben Sie schon Recht, Mr. Petrakis. Aber
Weitere Kostenlose Bücher