1410 - Mallmanns Blut-Bräute
fahren!«, erklärte die Blutsaugerin – und fuhr los!
Der Wirt sprang zur Seite. Er schaute ihr kopfschüttelnd nach.
Lange sah er sie nicht, denn der dichte Nebel verschluckte Fahrerin und Maschine wie zwei Geister.
Hätte das Geld nicht in seiner Hosentasche gesteckt, der Wirt hätte an einen Traum geglaubt. Ganz zufrieden war er trotzdem nicht, denn diese Frau kam ihm fast unheimlich vor, wenn er darüber näher nachdachte. So etwas hatte er in seinem siebenfünfzigjährigen Leben noch nie erlebt, und auch jetzt konnte er nur den Kopf schütteln.
Wenig später schlich er mit einem unguten Gefühl im Bauch wieder zurück in seinen Pub…
***
Der Nebel hatte sich so stark verdichten können, weil kein Wind wehrte. Und doch schlug der Fahrtwind in das Gesicht der Blutsaugerin, aber sie spürte weder Hitze noch Kälte. Das helle Haar flatterte fahnenartig im Wind.
Die Richtung behielt Justine bei, und sie erinnerte sich wieder daran, dass der Weg damals leicht angestiegen war. Das hatte sich auch jetzt nicht verändert. Sie fuhr zwar nicht sehr hoch, doch immerhin erreichte sie eine Nebelgrenze, der sich mehr die flachen Mulden ausgesucht hatte. Da der Abend seine Dämmerung noch nicht über den Hirnmel geschickt hatte, war es hell genug, um sich orientieren zu können, und die Sicht betrug rund fünfzig Meter. Das war zwar auch nicht ideal, aber immer noch besser als in einer Suppe herumzustochern, wie Justine sie in Tegryn erlebt hatte.
Freies Gelände, keine Menschen, keine Häuser. Eine leicht welliges Landschaft, die nicht mit vielen Hindernissen bestück war und in der es sich auch gut fahren ließ.
In ihrer Erinnerung schwebte Justine ein Waldstück vor, das nicht weit vom See entfernt lag, und in der Tat sah sie links von sich den dunklen Saum unter dem grauen Himmel, der bald immer grauer werden würde, weil sich der Tag verabschiedete.
Sie befand sich also auf der richtigen Fährte. Durch die leicht wellige Landschaft war ihre Sicht ein wenig eingeschränkt. Zwei Hügel mussten noch überwunden werden, so glaubte sie, dann wäre der See zumindest in Sichtweite.
Sie fuhr zwischen den beiden Buckeln hindurch. Dabei hatte sie den Oberkörper tief nach vorn gebeugt, gab auch mehr Gas, und die Reifen wühlten sich in den weichen Boden, wobei sie hin und wieder Grassoden in die Höhe schleuderten.
Dann sah sie ihn.
Der See lag nun vor ihr. Auch über seiner Fläche schwebte der Dunst, aber das dunklere Wasser war trotzdem zu sehen. Da noch immer kein Wind wehte, bewegten sich nur wenige Wellen in Richtung Ufer, und ein kaltes Lächeln huschte über Justines Lippen, als sie die alte Blockhütte entdeckte, die noch immer an derselben Stelle stand, wobei sie ebenso baufällig aussah wie früher.
Vampire besitzen zwar keine Gefühle, aber eine gewisse Spannung fühlte sie trotzdem. Es hing auch mit der Erinnerung zusammen, die sie unbedingt ausradieren wollte, und das konnte sie nur durch bestimmte Taten schaffen.
Auch konnte sich Justine vorstellen, dass dieses Vampir-Trio die einsam stehende Blockhütte als Stützpunkt benutzte. Der kleine See war wenig besucht. Um diese Zeit schon gar nicht. Da musste es viel wärmer werden.
Justine fuhr jetzt langsamer. Das Knattern des Motors begleitete sie, und sie musste jetzt Acht geben, dass ihr Motorrad nicht anfing zu schlingern.
Aber auch den Rest der Strecke schaffte sie, und sie rollte so nahe an die Blockhütte heran, dass sie nur noch ein paar Schritte zu laufen brauchte, um sie zu betreten.
Sie stellte den Motor ab, bockte die Maschine auf und fuhr mit den Händen durch das blonde Haar. Justine ließ sich Zeit mit der Besichtigung der Stätte, an der sie ihre erste Niederlage erlebt hatte. Das würde nicht mehr vorkommen, und im Moment war sie die einzige Person, die sich hier aufhielt.
Sie schritt auf die alte Blockhütte zu und betrat sie auch, wobei sie schon mit dem ersten Blick erkannte, dass sich nichts seit damals verändert hatte.
Sie war von den drei Vampirinnen durch die Rückseite geschleudert worden. Da war die Holzwand zusammengebrochen, hatte eine Lücke hinterlassen, die bis zum heutigen Tag nicht geschlossen worden war. Justine konnte nicht nur auf den See hinausschauen, ihr Blick fiel auch gegen das nahe Ufer, wo sich der Schlamm ausbreitete, in den sie damals das Herz des Mannes geworfen hatte.
Spuren waren in der Hütte nicht mehr zu erkennen. Hier schien auch niemand mehr übernachtet zu haben, was nachvollziehbar war, denn
Weitere Kostenlose Bücher