1410 - Mallmanns Blut-Bräute
Rechnung offen, und ich bin jemand, der jede Rechnung begleicht.«
»Verstehe.«
»Sehr gut.« Sie grinste ihn scharf an und schaute dabei in das bleiche Gesicht mit der dünnen, scharf gespannten Haut, der leicht gekrümmten Nase und den dunklen Augen. So kannte sie ihn, und er hatte sich äußerlich nicht verändert, trotzdem war er ihrer Meinung nach zu einer anderen Person geworden. Er hatte viel durchmachen müssen und hatte dicht am Rand der Vernichtung gestanden. Mit viel Glück war er dieser entkommen, und das musste auch bei ihm Spuren hinterlassen haben, auch wenn er sich noch immer als Sieger fühlte. Dass sie ihn in eine Falle der Assunga gelockt hatte und John Sinclair ihn fast mit dem Schwert des Salomo erschlagen hatte, musste ihn zudem stark wurmen.
»Was hast du?«
»Ich denke nach, Mallmann. Und zwar über dich, und ich weiß, dass du nicht mehr so bist wie früher. Du warst mal der Größte, doch das ist vorbei. Okay, du kannst dich in die Vampirwelt zurückziehen, aber auch dort hast du Feinde, wenn ich an Assunga denke. Es sieht also nicht gut für dich aus. Für mich ist es das letzte Aufbäumen, was ich bei dir erlebe, und darüber solltest du dir Gedanken machen.«
»Wie schön, dass es dich gibt und du mir die entsprechenden Ratschläge geben kannst. Aber es heißt, dass Niederlagen auch stark machen können. Und das ist bei mir der Fall. Lass es nicht zum Äu ßersten kommen, Justine, ich warne dich!«
»Wie du meinst.« Für die Cavallo war das Gespräch beendet. Sie hatte ihm gesagt, was sie sagen wollte. Es gab keinen gemeinsamen Weg mehr zwischen ihnen. Beide ernährten sich vom Blut der Menschen, das war auch alles.
Sie wandte sich ab. Es waren nur wenige Schritte, dann hatte sie das alte Motorrad erreicht.
»Fahr weg!«, rief Mallmann ihr nach. »Fahr ganz weit weg!«
Justine drehte den Kopf. »Ich werde wegfahren, Will, aber ich fahre dorthin, wohin ich will!«
»Du musst es wissen«, murmelte er…
***
Der glatzköpfige Wirt hieß Terence Dalton, und er fragte sich, ob er richtig gehandelt hatte, als er der Fremden sein Motorrad überlassen hatte. Okay, das Geld war echt, aber er machte sich schon seine Gedanken, denn er wusste nicht, was nachkam. Er hatte mehr den Eindruck, erst am Beginn zu stehen. Gewissermaßen eine Ouvertüre zu erleben, bei der das dicke Ende noch kam.
Sie war eine Frau gewesen, eine besondere Frau, das hatte er mit dem ersten Blick erkannt. Zudem eine Frau, die sich hier in der Gegend nicht wohlfühlen würde. Sie gehörte nicht in die Einsamkeit, nicht aufs Land. Sie war jemand für die Großstadt, und durch ihre Kleidung hatte sie sich irgendwie versteckt.
Dalton wäre nie auf die Idee gekommen, sie anzumachen oder mit ihr zu flirten. Solche Frauen konnte einem Mann Angst einjagen, und auch bei ihm hatte ihr Auftreten ein beunruhigendes Gefühl hinterlassen.
Wäre seine Frau an diesem Tag bei ihm gewesen, sie hatte ebenso gedacht, aber Lorna befand sich auf einer Pilgerreise nach Rom. Sie war sehr gläubig und hatte den Papst Johannes Paul II. noch mal lebend sehen wollte. Das würde ihr nicht mehr gelingen, denn er war gestorben, aber die Reise wurde trotzdem nicht unterbrochen, und so stand Lorna jetzt inmitten einer fast endlosen Menschenschlange, die an dem toten Kirchenfürsten vorbeidefilierte, um einen kurzen Blick auf die Leiche zu erhaschen.
Für ihn war das nichts. Außerdem musste er sich um die Gaststätte kümmern, die nicht viel abwarf. Einen Urlaub konnte er sich deshalb nicht leisten.
Die fremde Frau war auch der letzte Gast gewesen. Es war nicht mehr damit zu rechnen, dass noch jemand kam. Die Abende waren in den letzten Wochen sehr ruhig gewesen, die Leute schienen sich in den Häusern zu verstecken, als hätten sie Angst davor, am Abend oder in der Nacht auf die Straße zu gehen.
Irgendjemand hatte drei Frauen gesehen, die hier in Tegryn bekannt waren. Drei junge Frauen, drei wilde Weiber, wie man sie genannt hatte. Sie hatten vor einiger Zeit den Männern hier die Köpfe verdreht, und sie hatten sogar eine Disco hier eröffnet.
Sie war dann schnell wieder geschlossen worden. Die älteren Bewohner hatten dafür gesorgt, die Disco wurde niedergebrannt und die drei Frauen aus dem Ort gejagt. Man hatte ihnen erklärt, dass sie sich nie mehr hier blicken lassen sollten.
Sie waren gegangen, aber sie hatten zuletzt auch Drohungen ausgestoßen. Niemand hatte sie erst genommen, und es war komisch, dass Terence Dalton jetzt
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