1414
an die Rega gerichtet war. Eine Nachricht, mit deutschem Handyabonnement an 1414 gesendet, geht an «Bild». Ariane Güngerich erkundigt sich beim Chef der Einsatzleitung: «Wer ist wann in welchem Netz? Wie funktioniert das technisch?» Bei anderen Ereignissen informiert sie sich in der Einsatzzentrale und spricht mit den beteiligten Einsatzmitgliedern, bevor sie den Medientext schreibt.
Seit gut drei Jahren arbeitet sie bei der Rega. Der Start war schwierig. «Frag doch nicht ständig», raunzte mal jemand. Am Anfang wusste sie nicht recht, wie sie es anstellen sollte. Sie, die oft zu den Besten und Schnellsten gehörte und grad «voll loslegen» will. Und hier? Ihr Vorgänger war nur noch eine Woche da, der Vorgesetzte erst einen Monat. Viel Know-how war weg. «Ich setzte mich gewaltig unter Druck – und war selber mein grösstes Problem. Ich musste nicht nur vieles lernen, ich musste auch völlig umdenken. Meine früheren Berufe waren standardisiert, strukturiert. Als Krankenschwester kann ich nicht mal so und mal so spritzen, als Flight-Attendant nicht den Kaffee vor dem Hauptgang servieren.»
Ariane Güngerich zweifelte. Machte eine Auslegeordnung. Just in dieser Woche wollte die «Tagesschau» einen Beitrag drehen. Sie entschied, selber zu sprechen, flog mit dem Fernsehteam einen Tag dem Rettungshelikopter hinterher und gab auf der Grossen Scheidegg ein Interview. Die Feuertaufe. Zu Beginn der Woche todunglücklich, Ende der Woche die selbstsichere Mediensprecherin. «Jetzt, nach drei Jahren, merkt angeblich niemand mehr, dass ich noch nicht lange im Metier bin. Die Arbeit ist vielseitig, das Menschengemisch spannend. Wir sind eine aviatische, eine medizinische, eine Non-Profit-Organisation, ein bisschen wie eine Versicherung, aber eine sehr dynamische.»
Ariane Güngerich ist die erste Mediensprecherin der Rega. Quasi eine historische Figur, erst noch in der beliebtesten Institution der Schweiz, der «letzten heiligen Kuh» sozusagen. Darauf ist sie stolz, sie, die mit dem Gönnerausweis «auf die Welt kam» und mit ihrem Vater unzählige Male in die Berge zog.
Nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Sie ist zuständig für Jahresbericht und Jahresmedienkonferenz. Viel Fleissarbeit, viel Schreibarbeit. Sie verantwortet mehrere Publikationen, darunter das Rega-Mitarbeitermagazin «info». «Erstens publizieren wir, was für die Belegschaft wichtig und interessant ist – bis hin zu Personalnachrichten; zweitens animieren wir Mitarbeiter zum Schreiben.» Verfasst Ariane Güngerich selber einen Bericht, sucht sie nicht «eine möglichst geile Geschichte», sie will, dass alle Beteiligten zufrieden sind – ob mit der Haus-Serie im «info» (Rega von innen) oder der Story im Gönnermagazin «1414» über den Raubüberfall auf eine ältere Dame in Sardinien.
Sie sucht den Austausch, auch wenn er manchmal zu kurz kommt, und will möglichst alle Rega-Leute kennen. Ab und zu führt sie Gäste durchs Haus, für regelmässige Führungen reicht die Zeit nicht. Sie braucht das Privatleben, Familie, Freunde. Sie braucht den Sport. Langstrecken laufen, klettern, wandern, Ski fahren. Kick-Power, Yoga. Heute Morgen stand sie um 6.30 Uhr im Kraftraum. «Blöd», findet sie, setzt sich aber immer wieder neue Ziele.
Ariane Güngerich ist schnell zu begeistern. «Ich mache immer das, was mich gerade interessiert – ohne zu überlegen, was mir das bringen könnte.» Die Ästhetin, Flight-Attendant, Business-Lady zieht es in die Welt, auch in die Modewelt. Die Helferin, die Krankenschwester trüge am liebsten Uniform und engagierte sich in einem Krisengebiet. Diese Zerrissenheit gilt es auszuhalten.
Ihre Eltern unterrichteten in der staatlichen Schule, obwohl der Vater Rudolf Steiner zugewandt ist. Die Familie zog häufig um. Ariane, das älteste der vier Kinder, übernahm früh Familien- und Erziehungsaufgaben. «Man konnte sich 200 Prozent auf mich verlassen.» Ein frühreifes, wissbegieriges, ein «lästiges» Kind. Die Fünfjährige tat, als sei sie erwachsen. Die Neunjährige las «Ursula in den Lüften» und wusste, «wenn ich gross bin, werde ich Flight-Attendant». Die Zwölfjährige verschlang Susanne-Barden-Geschichten und wusste, ich werde Krankenschwester. Intellektuell darbte sie. Vom Musischen der Rudolf-Steiner-Schule hatte sie genug, sie wollte endlich «normal» sein, Mathematik, Physik, Chemie lernen. Im zehnten Schuljahr, an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern, holte sie alles
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