Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1414

1414

Titel: 1414 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schläpfer
Vom Netzwerk:
Rega sei ihm manchmal vorgekommen wie der Karpfen im Hechtteich. «Sie musste aufpassen, nicht über den Tisch gezogen zu werden.» Gerichtsfälle beschäftigten Walter Stünzi nicht. «Ab und zu war ich froh um meine juristischen Kenntnisse, aber meine Arbeit war die Kommunikation.»
    Unvergesslich ist ihm ein eher persönliches Erlebnis – das Referat über die Rega auf Einladung des lombardischen Präsidenten Roberto Formigoni. An besagtem Tag nahm er den spätestmöglichen Zug nach Mailand, ohne zu realisieren, dass dieser nur bis Brig fuhr. Der Schrecken in Formigonis Entourage war gross, man zitterte vor dem Presidente. Stünzi nahm ein Taxi über den Simplon, auf dem Pass drangsalierte ihn ein Zöllner. Doch dann stand er wie verabredet auf dem Flugplatz Domodossola. «Mit meinem Köfferchen, der Wind rüttelte an den Hangartoren, eine Graspiste, sonst nichts.» Der Helikopter der Italiener holte ihn ab, landete in Mailand auf dem Dach eines Messegebäudes, im schwarzen Mercedes mit dunklen Scheiben gings zum Regierungssitz; Punkt 16 Uhr stand Walter Stünzi am Rednerpult. Auf der Rückfahrt im Speisewagen erzählte er die Geschichte seinem Schweizer Tischnachbarn. «Dieser lachte, er komme von dieser Messe, habe den Heli landen gesehen und sich gefragt, was für ein hohes Tier da wohl ankomme…»
    Wie landete Walter Stünzi bei der Rega? Der Militärpilot wollte zur Swissair; die Uniform lag schon bereit. Er beendete die Schweizerische Luftverkehrsschule SLS während der Erdöl-Krise 1974. Die Swissair entliess ein Drittel ihrer Pilotenanwärter. «Schwierig zu sagen, was diese Weichenstellung bedeutete. Fliegen war nie mein Ein und Alles. An eine andere Fluggesellschaft dachte ich deshalb nicht, sondern studierte Jus – ohne Passion, wie so viele. In der Praxis, dachte ich, ist dann wohl alles anders.»
    Die Praxis am Bezirksgericht Winterthur: «viel zu trocken». Die Praxis bei der Kriminalpolizei Zürich: «interessant». Doch der Geruch nach Kerosen lockte: Walter Stünzi wurde Chef des Flugbetriebs und Mitglied der Rega-Geschäftsleitung. Gleich zu Beginn geriet er in Turbulenzen: Der vormalige Direktor war entlassen worden. Die nachfolgenden Machtkämpfe auf allen Ebenen behagten Walter Stünzi nicht. Er kündigte – und verreiste mit seiner Frau nach Australien, im Kopf das Projekt, PR-Berater zu werden. In Sydney der Anruf des Rega-Chefarztes (der von Stünzis Plänen gewusst hatte), der Stiftungsrat suche einen Kommunikationschef. So stieg Walter Stünzi eine Stufe tiefer wieder ein, erwarb das PR-Berater-Diplom und war in seinem Element. «Kommunikation war meine Domäne. Und als Pilot konnte ich auf Augenhöhe mit den Piloten reden – eine Gilde, ähnlich wie die Ärzte.»
    Die Rega konnte es sich leisten, technisch auf der Höhe zu sein. Was auch Missgunst schuf bei jenen, die alles erkämpfen mussten. «Bei der Rega muss es nicht rentieren, es muss funktionieren. Um diese Unabhängigkeit beneiden uns ausländische staatliche Luftrettungsorganisationen. Stellen Sie sich vor, man würde einen neuen Helityp auf Staatskosten evaluieren; nicht auszudenken, wer alles mitreden wollte.» Eine Ahnung bekam er, damals noch Chef des Flugbetriebs, bei der Beschaffung der ersten Agusta. Ein Vertreter der deutsch-schweizerischen Handelskammer fragte an, wer hier die Entscheidung treffe, mit wem er reden könne. «Mit mir», sagte Stünzi. Das meine er nicht, er wolle wissen, welche politische Instanz zuständig sei…
    In seinen über zwanzig Rega-Jahren erlebte Walter Stünzi die Entwicklung zum professionellen Unternehmen. «Tja, die viel beschworene ‹Familie› ist zwar nicht mehr. Die Rega hat sich aber zum Guten entwickelt, das war immer meine Meinung. Was nützt mir eine ‹Familie›, die bastelt? Enthusiasmus ersetzt nicht Fachkenntnis.»
    Zu dieser Entwicklung gehörte, dass man für den Flugbetrieb vermehrt auf Militärpiloten setzte; ihr Einsatzprofil entspricht eher demjenigen des Rega-Piloten. Und dass im Heli ein Arzt mitfliegt, nicht irgendeiner, sondern ein Anästhesist oder Notarzt. Hier war Professor Georg Hossli die treibende Kraft. Das enttäuschte viele nebenamtliche Helfer, die sich zwar mit Herzblut engagiert hatten, aber den neuen Anforderungen nicht mehr genügten. Es war nicht einfach damals, Notärzte zu finden. 1986 führte Hossli den ersten Kurs für Notärzte durch – nach den Richtlinien der Ärztekommission für Rettungswesen des Schweizerischen Roten Kreuzes und des

Weitere Kostenlose Bücher