1416 - Blutrausch
durch die Dunkelheit und ließen sich von der Stille der Nacht einfangen. Zwei einsame Wanderer.
Dann endlich glaubte Justine, das Licht am Haus zu sehen. Es gab keinen Nebel, keinen Dunst. Die Nacht war klar wie selten. Am Himmel leuchtete die scharfe Kontur des Halbmonds, weil die Wolkendecke an dieser Stelle aufgerissen war.
Man konnte nicht davon sprechen, dass es heller wurde, die Dunkelheit blieb - und sie hatte demjenigen Schutz gegeben, der so auf sie setzte und sie auch so liebte.
Er kam aus der Luft, und selbst die Cavallo hatte ihn nicht gehört.
Der Angriff erfolgte urplötzlich. Die Warnung erreichte Justine zu spät, denn als sie sich drehte, war die riesige Fledermaus bereits bei ihr…
***
Justine hatte wesentlich mehr Kraft als ein normaler Mensch. Doch auch sie musste den Gesetzen der Physik gehorchen, denn der harte Rammstoß erwischte sie im Kreuz.
Sie wurde nach vorn katapultiert und gleichzeitig zur Seite weg.
So gelang es ihr nicht mehr, sich an Marek abzufangen. Sie landete auf dem Boden, überrollte sich geschickt und sprang sofort wieder auf die Füße, um sich um Marek zu kümmern.
Es reichte nicht.
Mallmann war schneller. Justine hatte er für einen Moment aus dem Weg geräumt. Jetzt kümmerte er sich um sein eigentliches Ziel.
Auch gegen Mareks Rücken rammte er.
Der Pfähler wurde nach vom geschleudert. Er stolperte. Er fiel und wäre auf den Boden gefallen, wenn Mallmann nicht schneller gewesen wäre.
Seine Krallen rissen den Pfähler in die Höhe. Es dauerte nicht mal Sekunden, dann lag der Boden bereits tief unter ihm, und Justine Cavallo, die ebenfalls wieder auf den Beinen stand, versuchte es noch mit einem langen Sprung.
Sie schrie dabei auf, sie setzte alles ein, und sie sprang dabei weitaus höher als ein normaler Mensch.
Es nutzte ihr nichts. Die hochgestreckten Hände griffen ins Leere.
Sie kam auf dem Boden auf, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als in die Höhe zu schauen.
Mallmann hatte es geschafft. Er und Marek waren in der dunklen Luft nur mehr ein zuckendes Gebilde, und der Pfähler schien sich sogar wohl zu fühlen, denn er schickte als letzte Botschaft ein hartes Lachen in die Tiefe.
Justine Cavallo blieb nichts anderes übrig, als auf sich und die ganze Welt zu fluchen…
***
Warten…
Ja, verdammt, ich wartete. Ich musste es tun, auch wenn ich es hasste. Es gab keine andere Möglichkeit. Warten auf etwas, das eintreten würde oder sollte.
Ob es tatsächlich passierte, wusste ich nicht. Es konnte sein. Vielleicht kam auch alles ganz anders. Ich war nicht derjenige, der die Fäden zog, das waren andere.
Suko würde draußen bleiben und so gut wie möglich die Umgebung im Auge behalten. Ob er sich damit den besseren Part ausgesucht hatte, war Ansichtssache. Ich hoffte nur, dass ich hier nicht umsonst hockte.
Aus dem Kühlschrank hatte ich mir Mineralwasser geholt. Ich trank es direkt aus der Flasche, und ich wollte eigentlich nicht, dass meine Gedanken auf Wanderschaft gingen.
Leider konnte ich es nicht verhindern. Immer wieder musste ich an die Vergangenheit denken, und alles hatte mit Frantisek Marek zu tun. Wie oft hatten wir Seite an Seite gegen die verdammte Vampirbrut gekämpft. Wie oft hatten wir auch Glück gehabt.
Frantisek Marek und sein Eichenpfahl, das war eine Einheit. Und wie hatte er sich darüber gefreut, dass ihm auch das Vampirpendel in die Hände gefallen war.
Jetzt trug ich es bei mir. Den Pfahl hatte ich nicht. Wahrscheinlich befand er sich noch im Besitz der blonden Bestie. Was sie noch für eine Rolle spielte, wusste ich nicht. Normalerweise ging sie ihre eigenen Wege.
Gab es noch Hoffnung?
Für mich war das Glas stets halb voll und nicht halb leer. Deshalb ging ich davon aus, dass die kleine Lampe der Hoffnung noch glühte. Solange ich nicht den Beweis bekam, dass alles verloren war, glomm diese Lampe noch immer.
Wieder trank ich einen Schluck. Wie lange ich hier schon allein am Tisch gesessen hatte, wusste ich nicht. Aber es gab noch eine einsame Person in diesem Haus. Glenda hielt es nicht aus. Ich hörte ihre Schritte von der Treppe her, und sehr bald erschien sie in meinem Blickfeld.
Sie hielt sich am Geländer fest, als sie einen Fuß vor den anderen setzte. Erst als sie vom Lichtschein berührt wurde, sah ich auch ihr Gesicht besser.
Sie schaute ebenso düster wie ich. Ihre Gestalt schien eine gewisse Tragik zu umwehen. Sie schob sich einen Stuhl zurecht und setzte sich zu mir.
»Du siehst mitgenommen
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