142 - Bei Nebel kommt der Schizo-Killer
die Ereignisse in Allentown waren Dinge
bekannt geworden, über die man bisher noch keine Informationen hatte. Die
mysteriöse Verwandlung der kleinen Chantalle, ihr bedauernswerter Tod und das
Auftauchen ihres enthaupteten Körpers viele Meilen von den Ort entfernt, wo sie
hinter verschlossener Tür aufbewahrt gelegen hatte, forderten die PSA geradezu
heraus.
»Vielleicht kann uns auch Edna Cailhon noch
den einen oder anderen Tip geben«, meinte Larry abschließend. »Ihr erster
Hinweis traf mitten ins Schwarze. Vielleicht kann sie im nachhinein noch
präzisieren, und Iwan Kunaritschew kommt mit den neuesten Nachrichten gerade
recht .«
»Iwan Kunaritschew alias X-RAY-7 hat seinen
Rapport schon erstattet, Larry.
Edna Cailhon hat erneut gesprochen. Sie hat
auch den Fremden erwähnt, den Sie einige Sekunden - und zwar doppelt - auf der
Bühne des Filmtheaters gesehen haben. Sie nannte ihn den »Schizo- Killer« ...
Schizo beinhaltet den Begriff des »Gespaltenen«.
Durch Spaltung entstanden die Mörder in
London und Paris, und nun haben sie auch hier zugeschlagen. Und Sie, Larry,
haben ihn gesehen . .. Wenn Sie mit Ihren Kollegen
nach New York zurückkehren, wartet der Zeichner auf Sie. Geben Sie ihm die
Beschreibung des Mannes. Wir lassen ein Phantombild anfertigen und es durch
Presse und Fernsehen verbreiten. Vielleicht kennt jemand die geheimnisvolle
Gestalt, die sich kleidet wie ein Mensch aus einem anderen Jahrhundert .«
»Vielleicht kleidet sie sich nicht nur so,
sondern stammt auch aus einer anderen Zeit .«
»Auch das, X-RAY-3, müssen wir ins Kalkül
ziehen. Sie wissen ja, bei der PSA ist nichts unmöglich. Wir werden nicht nur
ein Phantombild nach Ihrer Beschreibung anfertigen lassen, sondern auch eines,
das nach der Beschreibung Iwan Kunaritschews entsteht und auf Edna Cailhons
Beobachtungen zurückgeht. Sprechen Sie untereinander Ihre Kenntnisse nicht ab,
Larry. Ich muß sicher sein, ob es sich um die gleiche Person handelt oder
nicht. Alles spricht dafür, daß es so ist. Aber die letzte Gewißheit werden wir
erst haben, wenn die Zeichnungen vorliegen. Ich werde sie übrigens dann noch
der Hellseherin zeigen lassen, auf deren Meinung ich großen Wert lege .«
*
Die ersten Sonnenstrahlen färbten den Himmel
im Osten messingfarben. Das Licht fiel durch die kleinen Fenster der Dachgauben
auf die Schläferin, die auf einem breiten, weißgestrichenen Eisenbett lag. Die
Wohnung sah aus, als gehöre sie einem Trödler. In einer Ecke auf einem
quadratischen Tisch stand ein Grammophon aus den zwanziger Jahren, an der Wand
hingen vergilbte Fotos, die Szenen aus dem Paris um die Jahrhundertwende
zeigten.
Da fuhren Kutschen durch die Straßen, adrett
gekleidete Frauen gingen durch sommerliche Parks spazieren und schützten sich
vor hellem Sonnenschein durch zartgewebte Schirme.
Kleine Schränke aus dieser Zeit gab es in der
Dachwohnung ebenso wie einen Schlitten mit verschnörkeltem Eisengestell. Er
war. als Blumenbank zweckentfremdet und bestimmt seit Jahren nicht mehr mit
Schnee in Berührung gekommen.
Auch das Bett und der Bezug stammten aus dem
zu Ende gehenden neunzehnten Jahrhundert.
Wer sich mit solcherlei Dingen umgab und mit
ihnen lebte, war niemand anders als Claudine Solette alias X-GIRL-F.
Die grazile Frau mit dem zerzausten schwarzen
Haar liebte nostalgische Elemente in ihrer Wohnung.
Aber Claudine war alles andere als
altmodisch, verschroben oder prüde.
Sie war jung, unkompliziert und stand mit
beiden Beinen fest im Leben.
In dieses Leben wurde sie durch einen leisen
Summton gerufen aus dem Schlaf der Gerechten.
Der Ruf kam aus einem kleinen Anhänger, der
die Form einer Weltkugel hatte und den Claudine an einem Armkettchen trug.
»X-RAY-1 an X-GIRL-F. Bitte melden
Sie sich .«
Claudine war sofort hellwach und drehte sich
halb um. Die leichte Decke verrutschte dabei ein wenig. Die Französin trug
außer dem Goldkettchen nichts auf der Haut. Claudine Solette war passionierte
Nacktschläferin, ob sommers oder winters. Wenn sie schlief, konnte sie nichts
auf der Haut vertragen.
Die schlanke junge Frau mit der
solariumgebräunten Haut betätigte einen winzigen Kontakt an der goldenen Kugel.
»Hier X-GIRL-F.« Während sie das sagte, warf
sie einen Blick auf den Wecker. Das war ein wahres Monstrum und mindestens
hundertzwanzig Jahre alt. Zwei pampelmusengroße Glocken hingen links und rechts
neben dem Corpus. Wenn die anfingen zu läuten, weckten sie Tote auf. Claudine
Solette
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