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142 - Der Bluttempel

142 - Der Bluttempel

Titel: 142 - Der Bluttempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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abholen und zu mir bringen wird. Ah – ich fühle Trotz! Das ist gut, das ist sogar sehr gut. Starrsinn schmeckt ganz besonders, wenn er in Hoffnungslosigkeit und Panik umschlägt. Allmählich beginnst du mir zu gefallen, Sohn der Finsternis. Also – entferne dich nun, für mich ist Essenszeit. Wo sind die Vögel? Wo ist der Bruder des Schlangenhändlers?«
    Matts Beine setzten sich von selbst in Bewegung, doch allmählich wurde der Einfluss des Obersten schwächer. Er gab ihn, wie versprochen, frei.
    An einen Fluchtversuch war trotzdem nicht zu denken. Aus einer nebenan gelegenen Kaverne schlossen sich ihm vier Noskopzen an. Alle waren sie unglaublich fett, ohne auch nur annähernd an das Gewicht Pjotrs heranzureichen. Sie trugen Waffen an ihren lose geknüpften Beintüchern.
    Degenmeister.
    Also hatten sich auch hier, zumindest in Grundzügen, die alten Traditionen der Nosfera bewahrt.
    Wenn die Männer auch nur im Geringsten die Geschicklichkeit ihrer Artgenossen erreichten, würden sie ihn, waffenlos wie er war, binnen weniger Augenblicke zerschnipseln.
    Doch war ein schneller Tod nicht die angenehmste Variante?
    »Sie werden dich niemals töten, und du wirst diesen Gedanken niemals umsetzen!«, rief ihm Pjotr hinterher, der seinen Geist nach wie vor überprüfte. »Noch immer denkst du an deine Begleiterin vor dem Tor des Bluttempels. Du willst für sie am Leben bleiben, und andererseits hoffst du, dass sie dir zu Hilfe kommen wird. Wie nett! Gib dich ruhig deinen Illusionen hin, mach das Beste aus den nächsten Stunden. Denn dein Leben endet in jedem Fall vor meinen Augen.«
    Das panische Gekrächze eines Vogels erklang und endete abrupt, wie abgewürgt, gefolgt vom lustvollen Schmatzen des Obersten.
    ***
    Die primitive Zelle, in die Matthew gestoßen wurde, war bereits besetzt. Eine Frau hockte hier, eine Sklavin. Es war jene, die auf dem Koloss geritten war. Sie schluchzte unterdrückt, trat hilflos in seine Richtung und verbarg schließlich ihr zerstörtes Gesicht hinter den Händen.
    Scham und Trotz!
    Hier war jemand mit einer noch halbwegs intakten Gefühlswelt. Jemand, den der Koloss noch nicht endgültig besiegt hatte.
    »Ich tu dir nichts«, murmelte Matt beruhigend. Er kramte in seinen Oberschenkeltaschen umher. Man hatte ihm sowohl die Taschenlampe als auch das Erste-Hilfe-Päckchen gelassen.
    »Ich bin ein Gefangener wie du. Sieh mich an.« Langsam, möglichst vorsichtig, griff er nach ihren schmalen bleichen Händen. »Ich kann deine Schmerzen lindern.«
    Im Gedanken ergänzte er traurig: Zumindest für kurze Zeit.
    »Was nutzt es schon«, nuschelte die Frau. Große Kulleraugen blickten ihn an. »Bald wird er mich erneut zu sich holen, mir die schrecklichsten Dinge antun…«
    »Auch mir bleibt nicht viel Zeit. Aber bis dahin sollten wir uns… wie Menschen verhalten.«
    Ihre Hände fielen herab, langsam und zögernd.
    Matt holte tief Atem und unterdrückte jegliche Reaktion, als er in ihr Gesicht blickte. Er zwang sich zu einem Lächeln.
    »Wie heißt du, Mädchen?«, fragte er, während er den Drehverschluss des kleines Fläschchens Antiseptikum öffnete.
    Behutsam fuhr er mit einem weichen Tuch an den mit Tierhaar vernähten Wunden entlang.
    »Geritsa«, antwortete sie. »Ich stamme aus der Ruinenstadt Staritsa.«
    »Und ich bin Matt und stamme aus der Ruinenstadt Riverside.«
    »Riwasaaid? Ein seltsamer Name…«
    »Heutzutage ist doch alles ein bisschen seltsam, nicht wahr? Schiebe bitte dein Beinkleid ein wenig auseinander. Ich möchte die Wunden auf deinen Innenschenkeln versorgen.«
    Mit einem letzten Rest von Schamgefühl zuckte sie zusammen, gehorchte aber schließlich doch. Die Striemenspuren waren tief, doch sie würden wieder verheilen – wenn man dem armen Mädchen Zeit dazu ließ.
    »Ich kann diese Wunden kühlen und betäuben.« Behutsam fuhr er die blutigen Schorfnarben entlang. »Wenn du mir vertraust…«
    »Diesem Mann würde ich keinen Schritt weit vertrauen!«, flüsterte eine nur allzu bekannte Stimme.
    »Popovgeno!« Matt sprang hastig auf die Beine, ging hinüber zum Vogelhändler, der auf der anderen Seite eines eisernen Gittervorhangs grimmig auf ihn hinab starrte.
    »Genau derselbe! Jener, der nur knapp demselben Schicksal entkommen ist, das nun dir droht.«
    »Willst du mir etwa einen Vorwurf machen? Ich wusste doch nicht, dass der Name Erzv… dass der Name des obersten Nosfera von Moska so sehr tabuisiert ist.«
    »Denken dürfte nicht unbedingt deine Stärke sein,

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