142 - Der Bluttempel
fürchterliche Kakophonie, nur übertönt vom Gelächter des Kolosses.
»Schön!«, brüllte Pjotr. »Ich spüre Angst. Schmerz. Panik. Es füllt meinen Leib; gebt mir mehr davon, meeehr…«
Warum folgen die Noskopzen einem offensichtlich Wahnsinnigen?, fragte sich Matt, während er sich – im wahrsten Sinne des Wortes – betäubt aufrichtete.
»Es ist die Gier nach Macht, die sie antreibt«, antwortete der Oberste laut auf die gedachte Frage, nachdem sein irres Gelächter geendet hatte. »Sie wollen so sein wie ich. Ein jeder von ihnen wartet auf den Moment, in dem ich meine Herrschaft abgebe und einen der ihren zu meinem Nachfolger ernenne. Sie glauben aus meinem Schatten treten zu können. Die Lehre des Schmerzes in neue, bislang unerreichte Dimensionen treiben zu können. Aber mit jedem Tag, den ich existiere, schwinden ihre Hoffnungen, denn ich zeige ihnen vor, dass mir nichts, aber auch gar nichts fremd ist. Aah, der Schlangenhändler…«
Sirhissov war von hinten an den Koloss herangetreten, würdigte Matt keines Blickes. »Ich habe euch gebracht, wass ihr wolltet«, zischelte der unheimliche Mann zum Obersten, unbeeindruckt von den Geschehnissen der letzten Minuten.
»Das ist gut, mein Bester. Willst du mir nicht zeigen, was du denkst? Du musst wissen, Sohn der Finsternis, dass dieser Oberflächenbewohner so wie sein Bruder die besondere Gabe besitzt, die Ideen in seinem Geist weitestgehend von mir fern zu halten. Ach, wie gerne hätte ich alles aus ihm herausgepresst, ihn gezwungen, mir die Wahrheit zu sagen, und ihm dabei das große weite Feld des Schmerzes zu zeigen…«
»Ihr sseid zu großzzügig, Obersster!«
»Eines Nachts wirst du die Großherzigkeit meines Angebots sicherlich am eigenen Körper verspüren. Aber solange du mir und meinen Adepten regelmäßig dieses edle Schlangengezücht heranschleppst, bist du leider unverzichtbar. Gib mir eine, aber rasch!«
»Gerne, Oberster!«
Der hagere Mann beugte sich weit über den Körper Pjotrs.
In seiner Rechten hielt er den Kopf einer Würgeschlange, vielleicht drei Meter lang, die sich träge und in weiten Schlingen um seinen Arm gewickelt hatte.
In einem geheimnisvollen Singsang sprach der Schlangenhändler auf sein Tier ein. Dann zückte er ein langes Messer und schnitt den Leib der Schlange in der Mitte entzwei.
Blut spritzte.
»Ja!«, stöhnte das Monstrum. »Leben. Entweicht. Unter. Schmerzen.« Er keuchte, während er mit den kleinen Händen den Guss in Richtung seines weit geöffneten Mundes kehrte.
Das grässliche Schauspiel dauerte drei, vier Minuten, bis die letzten Zuckungen der Schlange versiegten und der Oberste aus seiner Entrückung in die Gegenwart zurückkehrte.
»Jetzt das Fleisch!«, schrie er. »Das Fleisch!«
Sirhissov übergab die beiden Hälften des Kriechtiers an eine bereitstehende Sklavin. Es war jene, die ihn bereits getränkt hatte. Ihre Hände zitterten unkontrolliert, als sie die erste Schlangenhälfte mit dem Kopf voran in das Maul des Mannes schob. Ließ die Droge, unter der sie vorher gestanden war, nach? Oder empfand sie nun einfach mehr Angst?
»Gib die Schusswaffe, dein Messer und das – wie nennst du es? – ach ja, das Funkgerät ab!«, befahl Pjotr, nachdem er gesättigt war. »Ich möchte ein wenig darüber grübeln, in welcher Form ich dich an den Erzvater übergeben soll. Im Ganzen, aber als leere Hülle, oder gleich sorgfältig in Stücke zerteilt.«
Alles in Matt sträubte sich, auf den Koloss zuzugehen, und dennoch musste er gehorchen. Er fühlte, wie sich seine Beine vorwärts bewegten, und die Hände Messer, Funkgerät sowie Driller in die Arme einer weiteren Sklavin legten.
Matt wagte kaum, in ihr Antlitz zu blicken. Die kalten Finger der Sklavin berührten ihn kurz. Sie fühlten sich an wie totes Fleisch. Wie etwas, das sich noch bewegte, obwohl es wusste, dass es bereits tot war. Jeder Gedanke an Hoffnung oder Widerstand war längst aus der Frau gewichen. Hier würde er, in der kurzen Zeit, die ihm wahrscheinlich blieb, kaum Verbündete für einen Ausbruchsversuch finden.
»Flucht? Verbündete?« Pjotr der Vierte lachte über seine Gedanken. »Niemand entkommt von hier! Die Stunden, die ich dir schenke, sollen deine Furcht steigern. Du wirst dich nunmehr in eine Zelle begeben, wo ich dich deinem bescheidenen eigenen Willen überlasse. Angst wird deine Hoffnung allmählich überlagern, je rascher die Minuten verrinnen. Ein jedes Geräusch wird dich befürchten lassen, dass man dich
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