1422 - Mörderischer Muttertag
nicht mehr nachforschen, aber heute ist das wieder interessant geworden.«
Sammy nickte vor sich hin, doch seine Schwester wusste sehr schnell, was Elton damit meinte.
»Du meinst also«, sagte sie, »dass wir uns an Sinclair und Conolly wenden sollten.«
»Ja, das meine ich. Der Vorgang, den wir erlebt haben, ist unerklärlich. Wir selbst werden kaum in der Lage sein, ihn aufzuklären. Zudem habe ich die Botschaft als Drohung verstanden. Da ist es schon besser, wenn wir uns professionelle Hilfe suchen. Oder seid ihr anderer Meinung? Dann sagt es.«
»Ich nicht, Bruder!«
Auch Tina stimmte nicht dagegen.
»Gut.« Elton Baker nickte. »Wenn das so ist, werden wir morgen Kontakt mit ihnen aufnehmen.«
Tina und Sam waren einverstanden.
»Und wer soll das tun?«, fragte Sammy.
»Wenn ihr nichts dagegen habt, werde ich mich darum kümmern.«
Der Bildhauer klatschte in die Hände. »Das habe ich nicht anders erwartet. Du hast uns schließlich den Weg gewiesen.« Sam schaute auf die Uhr. »Ihr werdet mich entschuldigen, aber ich habe noch einen wichtigen Termin mit einem Kunden.« Er stand auf. »Das ist keine Ausrede. Der Auftrag kann mir ein gutes Honorar einbringen.«
Tina lächelte ihrem Bruder zu. »Das wünsche ich dir von ganzem Herzen.«
»Danke, Schwester.« Sam kam zu ihr und küsste sie auf die Stirn.
Er verabschiedete sich auch von Elton und ließ die beiden allein.
»Er hat sich nicht verändert«, bemerkte Tina.
»Da sagst du was.«
»Ist er noch immer mit seinem Freund zusammen, den er vor zwei Jahren hatte?«
»Kann ich dir nicht sagen. Ich habe ihn nicht danach gefragt. Wundern würde es mich nicht, denn die beiden haben sich gut verstanden.« Er schenkte sich einen Schluck Wein nach und griff nach einer kleinen Lachsschnitte. Nachdem er gegessen und getrunken hatte, nahm er den Faden wieder auf. »Jedenfalls bin ich froh, dass ihr mit meinem Vorschlag einverstanden seid.«
»Der war doch super.«
»Das finde ich auch. Ich weiß nur nicht, Schwesterherz, wie dieser John Sinclair reagieren wird. Es kann durchaus sein, dass er mich auslacht, wenn ich bei ihm bin.«
»Du musst eben sehr überzeugend auftreten. Aber das kannst du ja, Brüderchen.« Sie lächelte Elton zu.
»Einfach ist es nicht.«
»Zur Not unterstütze ich dich.«
»Danke, das ist lieb.«
»Hast du die Schrift auch weggewischt?«
»Nein, du kannst sie noch sehen, wenn du willst.«
»Ja, das möchte ich.«
»Dann komm mit.«
Beide verließen die Terrasse und gingen zum Bad. Wieder musste sich Tina eingestehen, dass sich ihr Bruder eine tolle Wohnung gebaut und ebenso toll eingerichtet hatte. Zwar puristisch von der Einrichtung, aber sehr hell und auch geräumig. Als Makler verdiente er wirklich sehr gut, was Tina ihm auch gönnte, denn ein Zuckerschlecken war sein berufliches Leben nie gewesen.
Elton öffnete die Tür und ging vor. Auf Tinas Rücken lag schon ein leichter Schauer, als sie das Bad betrat. Es hatte die Größe eines normalen Wohnraums in einem Einfamilienhaus. Es gab zwei Fenster, zwei Waschbecken, eine Whirlpool-Wanne, eine geräumige Dusche und natürlich die beiden Spiegel über den Waschbecken, die durch hellblaue Kacheln voneinander getrennt waren.
Ein Spiegel war glatt und leer.
Der andere war beschrieben.
Ihr Blickwinkel war von der Tür aus nicht besonders, deshalb ging Tina auf Zehenspitzen näher. Dass sie dabei den Atem anhielt, geschah automatisch, und als sie in den Spiegel schaute, da tanzten die Buchstaben vor ihren Augen wie Blutflecken.
Wieder stützte sie sich ab. Ihr Ein- und Ausatmen war genau zu hören. Dann las sie die verfluchte Botschaft, die sich in keinem Buchstaben von ihrer unterschied.
Elton sprach sie nicht an. Er sah allerdings, dass es ihr nicht besonders gut ging, und legte seine Hände auf ihre Schultern.
»Gott, ich begreife es noch immer nicht«, flüsterte sie. »Das ist der reine Wahnsinn. Nach so vielen Jahren hat uns der Horror eingeholt.«
»Du hast Angst, nicht?«
»Ja, habe ich. Du nicht?«
»Doch, ich auch. Wenn man einen Feind hat, den man kennt, kann man sich darauf einstellen. Hat man jedoch einen, der unbekannt ist, bleibt das Unbehagen und die Angst!«
»Kennen wir den Feind wirklich nicht?«
Elton lächelte, was Tina im Spiegel sah. »Wenn du Mutter damit meinst, muss ich dir Recht geben.«
»Dann hat sie die Botschaft geschrieben?«
»Wer sonst?«
»Eine Tote?«, fragte Elton gedehnt.
»Alles ist möglich«, flüsterte Tina zurück.
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