1422 - Mörderischer Muttertag
jemand, uns in Angst zu versetzen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Es ist einfach nicht zu fassen…«
Ein Page schaute den Mann verwundert an, als dieser auf die Drehtür zuging und in Selbstgespräche vertieft das Hotel verließ.
Vor dem Hotel warteten die Taxis. Gähnend stieg Baker in einen der Wagen und ließ sich heimfahren.
Haus und Werkstatt waren von einem Bekannten gemietet. Man konnte da von einem Bungalow sprechen, der schon recht alt war.
An der Fassade hätte dringend etwas renoviert werden müssen. Die Fensterrahmen sahen ebenfalls schon brüchig aus, es fehlte ein guter Anstrich, aber das spielte für Sam keine Rolle.
In den Räumen fühlte er sich wohl. Besonders innerhalb des kleinen Wintergartens, der von der Vorderseite nicht zu sehen war. Da hatte er seine Werkstatt untergebracht. Zwar stand ihm nicht viel Platz zur Verfügung, aber der wenige reichte aus, um sich entfalten zu können.
Fast so vorsichtig wie ein Dieb betrat er das flache Haus. Er hatte die Schultern angehoben, und er bewegte den Kopf leicht von einer Seite zur anderen.
Im Haus war es dunkel und ruhig.
Er machte Licht.
Nein, was jetzt geschah, war völlig normal. Es wurde einfach nur hell.
Vor ihm stand keine Tote, die wieder lebte und ein Messer in der Hand hielt. Eine derartige Szene hatte er sich die ganze Zeit über vorgestellt, sein Herz hatte zudem immer heftiger geklopft, aber jetzt nahm es wieder einen normalen Schlagrhythmus an.
Er konnte zufrieden sein, aber die Angst war nicht verschwunden.
Nachdem Sam Baker die Tür hinter sich geschlossen hatte, fing er damit an, das Haus zu durchsuchen. In diesen Momenten fiel ihm schon auf, dass sein Partner fehlte. Zu zweit hätte er sich sicherer gefühlt. So aber musste er allein zurechtkommen.
Das Haus hatte mehrere Räume. Überall waren noch die Spuren seines Partners zu sehen, und so stieg wieder eine gewisse Bitterkeit in ihm hoch.
Um die Werkstatt oder das Atelier zu erreichen, musste er eine Glastür zur Seite schieben, die auf einer Schiene glitt. Nach dem nächsten Schritt hatte er das Gefühl, im Freien zu stehen. In diesem Glasvorbau stand die Luft dick und schwül. Hier stimmte der Vergleich mit einer bleiernen Atmosphäre wirklich.
So toll so ein Anbau auch war, an warmen Sommertagen verwandelte die Sonne ihn in eine Sauna.
Niemand lauerte ihm auf. Es war alles korrekt. Er konnte sich in aller Ruhe auf sein Schlafzimmer zu bewegen, wo ein großer Ventilator unter der Decke hing.
Baker schaltete ihn ein. Die Luft wurde verquirlt. Natürlich klebte ihm der Schweiß auf dem Körper. Vom Bett bis zur Dusche im Nebenraum waren es nur wenige Schritte. Er musste ins Bad gehen, und er dachte natürlich an etwas Bestimmtes.
Der Spiegel hing an der Längsseite. Er war blank und wirkte wie geputzt. Aber die Warnung stand noch vor seinen Augen.
BALD IST MUTTERTAG!
Er flüsterte den Text und keuchte. Er verfluchte ihn. Er fing an, den Muttertag zu hassen. Er hätte am liebsten einen harten Gegenstand in die Hand genommen und ihn in den Spiegel geschleudert, aber davor schreckte er zurück. Er wollte nicht unnötig in Panik geraten und erst mal abwarten. Nur keine zu große Angst zeigen.
Die Dusche tat ihm gut. Danach trocknete er sich ab und band ein langes Handtuch um seine Hüften. Er schaute wieder einige Male in den Spiegel, als würde die Botschaft, die er im ersten Impuls weggewischt hatte, noch dort stehen.
Dann ging er zu Bett.
Es tat ihm gut, sich hinlegen zu können. Der Tag und die Stunden des Abends waren verdammt lang gewesen und auch sehr intensiv.
Er fühlte sich matt, und er wäre normalerweise sofort eingeschlafen.
Nur in dieser Nacht nicht. Die Erlebnisse hatten an seinen Nerven gezerrt. Er lag auf dem Rücken, konnte die Augen einfach nicht schließen und lauschte auf jedes Geräusch.
Situationen wie diese kannte er nicht.
Kaputt sein und trotzdem keinen Schlaf finden. Angst haben. Starr liegen, wie eingepfercht. Nach oben schauend.
Die Decke zeigte einen helleren Schein, denn Baker hatte sich nicht getraut, das Licht auszuschalten. Er hatte es nur gedimmt. Er roch das Duschgel auf seiner Haut. Er hörte das Summen einer Mücke, und die weiße Landschaft seines Schlafzimmers kam ihm kalt wie eine Nordpollandschaft vor.
Die Furcht drückte auf sein Gemüt. Wer hatte die Botschaft geschrieben? Was hatte jemand davon, eine derartige Drohung in die Welt zu setzen? Konnte eine Tote schreiben, oder war jemand anderer
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