1422 - Mörderischer Muttertag
verschwinden. Wenn sie auf die Gestalt schaute, die in ihrem Blut auf dem Bett lag, dann kamen ihr schreckliche Beschreibungen in den Sinn, die sie nicht auszusprechen wagte.
Die Geschwister standen starr und schafften es nicht, zu atmen.
Nur würgende Geräusche drangen über ihre Lippen.
Tina hatte den Eindruck, dass jemand immer wieder an ihrem Hals zerrte. Zugleich hörte sie das Echo irgendwelcher Hammerschläge in ihrem Kopf.
Da die Tür weit genug geöffnet war, ging sie zurück, ohne es eigentlich richtig wahrzunehmen. Erst im Flur fand sie wieder zu sich, und da war sie froh, die Wand im Rücken zu haben, die ihr eine Stütze gab und an der sie niedersank.
Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte hemmungslos. So blieb sie sitzen, geschüttelt von Weinkrämpfen, und sie hatte die Welt um sich herum vergessen.
Irgendwann hörte sie ihren Bruder mit schnellen Schritten davoneilen, und wenig später erklang das Rauschen einer Wasserspülung.
Sie saß noch immer an derselben Stelle, als Elton zurückkehrte.
Tinas Hände lagen jetzt auf ihren Oberschenkeln. Tränen vergoss sie im Moment keine mehr.
»Tina…«
Die leise Stimme ihres Bruders erreichte ihre Ohren, aber sie wollte und konnte nicht reagieren.
»Wir müssen die Polizei benachrichtigen, Tina. Ich weiß, dass es dir und mir verdammt schwer fällt, aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Wir können Sam nicht hier liegen lassen.«
»Ich weiß«, flüsterte sie.
Elton streckte ihr die Hand entgegen. Tina nahm die Hilfe sehr gern an. Sie ließ sich in die Höhe ziehen und merkte, dass ihre Beine zitterten. Da war es gut, dass sie sich an ihrem Bruder festhalten konnte.
»Das war sie, nicht?«
»Ja, Mutter.«
»Gott – Gott – wie kann Mum nur so grausam sein.«
»Es ist die Hölle in ihr. Der Teufel, Tina. Er hat damals unsere Mutter übernommen. Er muss sie aus dem Grab geholt haben und hat sie nun auf eine grauenhafte Rachetour geschickt. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.«
»Ja, so wird es wohl sein.«
Elton führte seine Schwester weg von der offenen Tür des Mordzimmers. Sie gingen in den Wohnraum, wo Tina Baker sich auf ein Sitzkissen sinken ließ.
Das Telefonieren mit der Polizei überließ sie ihrem Bruder, und sie fragte sich, wie das alles noch enden sollte…
***
»Guten Morgen«, sagte ich fröhlich, als ich mit Suko im Schlepptau das Büro betrat, in dem unsere Assistentin Glenda wie eine Königin herrschte und mal wieder alles unter Kontrolle hatte.
Glenda schaute mich an. Von den Füßen bis zum Kopf. »Na, hast du den Sumpf überstanden?«
»Ja, er wollte mich nicht. Und Bill auch nicht. Deshalb habe ich das Vergnügen, wieder deinen Kaffee trinken zu dürfen.«
»Bei dem Wetter?«
»Wieso?«
»Ist es dir nicht zu warm?«
»Nicht für deinen Kaffee.«
»Wie du meinst.«
Ich strich Glenda im Vorbeigehen noch kurz über die Wange, bevor Suko und ich in unserem Büro verschwanden.
Glenda hatte Recht. Es würde wieder ein verdammt heißer und auch schwüler Tag werden. Das war ein Wetter, bei dem viele Menschen unter Kopfschmerzen litten, und auch ich spürte einen leichten Druck, aber der ließ sich ertragen.
Suko grinste mich von seinem Platz aus an. »Dann müssen wir zusehen, dass wir den Tag rumkriegen, denk ich.«
»Das schaffen wir!«
»Und wie?«
Ich lachte. »Indem wir schon mit Überlegungen anfangen, ob wir uns bei Luigi einen Tisch für den Mittag reservieren lassen und dar über nachdenken, ob wir im Freien oder im Restaurant sitzen wollen. Was hältst du davon?«
»Mal sehen, wie die Dinge laufen.«
»Die stocken im Moment.«
»Was stockt?«, fragte Glenda, die unser Büro betrat und den Kaffee mitbrachte. Für Suko hatte sie Tee gekocht. Den Kaffee und den Tee zuzubereiten, das ließ sie sich nicht nehmen, und sie empfand es auch nicht unter ihrer Würde.
Nicht nur Suko und ich hatten uns der Witterung angepasst und trugen kurzärmelige Hemden, auch Glenda hatte sich für eine weiße Bluse entschieden, zu der die hellblaue Leinenhose passte. Ihre Schuhe, bequeme Sandaletten, bestanden aus Stoff, ebenfalls in den Farben blau und weiß.
»Unsere Gedanken stocken«, antwortete ich auf ihre Frage.
»Dann trink du den Kaffee und du deinen Tee, Suko.«
»Danke, Schwester.«
Glenda tippte gegen ihre Stirn. Sie wollten wieder gehen, als ich das Mittagessen ansprach.
»Wo möchtest du deine Mittagspause verbringen?«
»Ach«, sagte sie. »Im Gegensatz zu euch habe ich noch keine
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