1424 - Das Hexenherz
die Schultern. »Noch ist nichts klar. Lass uns erst mal weitergehen.«
»Gut.«
Alles lief lautlos ab. In diesem unterirdischen Raum war es weder kühl noch warm. Dafür aber feucht, eben ein typischer Keller, in dem es allerdings keine Mäuse oder Ratten gab, die dem zuckenden Lichtschein zu entkommen versucht hätten.
Schon auf der Treppe war ihnen aufgefallen, dass die Flammen in einer gewissen Höhe aufflackerten. Nachdem sie die letzten drei Stufen hinter sich gelassen hatten, erhielten sie die Bestätigung.
Zwei Flammen bildeten die oberen Abschlüsse zweier Säulen. Sie tanzten auf den Enden und wechselten dabei stets die Richtungen.
Waren sie vor kurzer Zeit noch von ihnen beeindruckt gewesen, so wurde dies jetzt nebensächlich, denn sie bekamen etwas zu Gesicht, was beide kaum glauben konnten und was sich auch nur kurze Zeit hielt, denn es war bereits im Begriff zu verschwinden.
»Das ist verrückt!«
Jane hatte es hervorgestoßen. Sie merkte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, und lauschte ihren scharfen Atemstößen. Ihre Blicke konzentrierten sich dabei auf eine einzige Szene, aber die war auch prägnant genug.
In einer Nische schwebte zwischen Boden und Kellerdecke ein übergroßes, zuckendes und pulsierendes Herz, das zusätzlich von einem Kranz aus Strahlen umgeben war, die aussahen wie kleine gelbrote Lanzen.
»Was ist das?«, flüsterte sie.
»Ein Herz, Jane.«
»Weiß ich auch. Aber wem kann so etwas gehören?«
Suko hob die Schultern. »Sorry, da bin ich überfragt. Ich weiß es nicht.«
»Das muss ein Riese gewesen sein.«
»Assunga jedenfalls nicht.«
Jane nickte nur. Die erste Überraschung hatte sie überwunden und wollte nun näher an das Herz heran. Sie ging mit vorsichtigen Schritten, aber sie war nicht vorsichtig genug, denn sie hatte vergessen, nach unten zu schauen, und stieß deshalb mit der Fußspitze gegen etwas, das leise scheppernd ein Stück vorrutschte.
Suko senkte seine Lampe. Der helle Kreis traf ein schauriges Überbleibsel. Vor ihnen lag ein langer Knochen.
»Auch das noch!«, flüsterte Jane. »Was ist denn hier passiert?« Sie war ziemlich durcheinander, denn damit hatte sie nicht gerechnet.
Suko gab ihr die Antwort auf seine Weise. Er senkte die Lampe, leuchtete die Umgebung ab und fand die nächsten Knochen. Auch zwei Schädel schimmerten plötzlich im Schein der Lampe.
Jemand musste diese Skelette in einem Kampf zerstört haben. Wer das gewesen war, darüber brauchte Suko nicht länger nachzudenken, denn so etwas traute er nur John Sinclair zu.
Den Beweis erhielt er, als er seine Hand etwas nach links bewegte.
Da sah er den schimmernden Gegenstand auf dem Boden, der sogar recht wertvoll aussah, als er vom Strahl der Lampe getroffen wurde.
Auch Jane hatte das Blinken bemerkt und drehte sich zur Seite.
»Was ist das?«
»Silber.« Suko lachte leise. »Besser gesagt, es ist eine Silberkugel. Du verstehst?«
»John…?«
»Genau.«
»Klar.« Sie schaute gegen die Decke. »Er muss hier gewesen sein. Und dann muss er auch das Herz gesehen haben. Aber wo ist er jetzt? Ich glaube kaum, dass er den Rückweg angetreten hat.«
»Stimmt.«
»Hast du eine Idee?«
»Wie sollte ich? Es sei denn, dass…«
»… dieses Herz etwas damit zu tun hat«, vollendete Jane Collins.
»Genau.«
Die Detektivin drehte sich wiederum. Sie glaubte, sich nicht mehr normal verhalten zu können. Was sie da sahen, das wollte ihr einfach nicht in den Kopf, und erst jetzt fiel ihr richtig auf, dass dieses Herz nicht nur zuckte, wenn es schlug, sondern auch Laute von sich gab.
Beide hörten das leise und dennoch intensive »Bum – bum, bum – bum…«
»Es lebt«, murmelte Suko. »Und das hat etwas zu bedeuten. Das Herz steht nicht umsonst hier. Ich gehe auch davon aus, dass es von irgendwem erschaffen worden ist, denn ich glaube nicht, dass es einem Monster oder einem Riesen aus dem Leib gerissen wurde.«
»Davon gehe ich mittlerweile auch aus. Der Form nach kann es ein menschliches Herz sein.« Jane streckte ihren linken Arm aus. »Du kannst sogar erkennen, dass es in der Mitte in zwei Hälften geteilt ist. Perfekt, würde ich sagen.«
»Und warum strahlt es?«
»Keine Ahnung.«
Beide trauten sich jetzt etwas näher an das riesige Organ heran, um es zu betrachten. Jane hatte die Stirn leicht gekraust und die Lippen zusammengekniffen. Das Echo der Schläge interessierte sie jetzt nicht mehr, denn ihr war die Mitte aufgefallen, die sich bei jedem Schlag öffnete und
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