1424 - Das Hexenherz
wollte, dass es zerstört wurde. Sie hatte mehr und mehr den Eindruck, dass es ein Gegenstand war, der nur darauf wartete, Menschen verschlingen zu können.
Ein letzter Blick nach rechts.
Suko war schlagbreit. Er hielt die Peitsche locker und nicht zu verkrampft. So konnte er am besten schlagen und den Riemen den passenden Schwung geben.
Aus dem Handgelenk schlug er lässig zu – und erwischte mit den drei Riemen genau die Mitte dieses widerlichen Riesenorgans…
***
Man kann auf alle möglichen Arten reisen. In meinem Leben aber hatte ich des Öfteren mit Reisen zu tun, die in keine Kategorie passten.
So war es hier auch.
Die Welt um mich herum war verschwunden. Es gab nur noch das dunkle Nichts, und ich war mir sicher, dass auch die Zeit in dieser Spanne verloren gegangen war. Ich hätte niemals sagen können, ob Minuten oder Sekunden vergangen waren. Diese Reisen waren immer so etwas wie ein Stück Ewigkeit. Ohne richtigen Anfang und ohne ein normales Ende, wobei beides jedoch vorhanden war. Aber bei diesem Vergleich ging es einzig und allein um mein Gefühl.
Meine Sinne waren dann wieder voll da, als wir das Ziel erreichten und mich die Wirklichkeit zurück hatte. Ich sah die Umgebung. Ich spürte den Körper der Schattenhexe, nahm dabei ihren undefinierbaren Geruch auf und wurde von ihrem Mantel befreit, der mich auf der Reise umgeben hatte.
Ich war frei – und ich war woanders. An einem fremden Ort, den ich trotzdem kannte, denn es gab eigentlich nur den einen, zu dem mich Assunga hingeschafft haben konnte.
Ihre Hexenwelt!
Sie trat von mir zurück, damit ich einen freien Ausblick hatte und mich zurechtfinden konnte.
Wie sollte ich meine Umgebung beschreiben?
Leicht war es nicht. Im positiven Sinne konnte man von einer Waldsiedlung sprechen, denn Assungas Verbündete, die von ihr kontrollierten Hexen, hausten nicht in irgendwelchen Laubhütten.
Es gab schon feste Häuser aus Holz, es gab Wege, es gab ein urbanes Leben, und es existierte auch ein Wald in der Nähe.
Keine der Frauen, die ich zu Gesicht bekam, ritt auf einem Besen oder war die Hässlichkeit in Person. Keine alten Vettel mit verschrumpelten Gesichtern, Höckernasen und Warzen im Gesicht.
Hier bewegten sich normal aussehende Frauen, auch hübsche, die keine alten Lumpen trugen. Einige von ihnen waren sogar ziemlich aufreizend gekleidet, aber wer näher hinschaute – und das tat ich –, der konnte einfach nicht an ihren Augen vorbeisehen. Und dort sah er dann, dass sie sich schon von den Menschen unterschieden. In diesen Blicken lag eine gewisse Gier. Sie alle schienen auf etwas zu lauern, und dabei spielten moralische Grenzen keine Rolle.
Ob sie meine Ankunft erwartet hatten, wusste ich nicht. Jedenfalls starrten sie mich an, was mir natürlich nicht behagte, und deshalb schaute ich zur Seite.
Sie interessierten mich nicht, denn es ging mir allein um Justine Cavallo. Ich hatte nicht vergessen, dass die Schattenhexe persönlich ihr das Herz aus dem Körper schneiden und mich dabei als Zeugen haben wollte, aber ich fragte mich zugleich, wie sie das anstellen wollte, denn Justine war ein verdammt harter Brocken. Sie war so leicht nicht zu besiegen.
Im Moment wirkte alles friedlich auf mich. Beinahe schon eine Idylle, aber ich wusste auch, das dieser Schein trog.
Die anderen Hexen waren für mich nicht interessant. Ich wollte Justine sehen und fragte deshalb: »Wo steckt sie?«
»Bist du so scharf auf sie?«
»Ja.«
»Du kannst sie gleich sehen. Meine Freundinnen haben sie entsprechend versorgt, und wenn du sie dir anschaust, die hinter dir in der Nähe stehen, musst du zugeben, dass ihnen nichts passiert ist. Hexen wissen genau, wie man mit Blutsaugerinnen umgeht.«
»Ja, euer Blut ist für Vampire unbekömmlich.«
»Du sagst es.«
Ich war für Assunga jetzt unwichtig geworden. Sie sprach mit ihren Dienerinnen und erkundigte sich, ob alles so in Ordnung war, wie sie es erwartete.
Die Antworten ließen keinen Grund zur Klage zu, und Assunga konnte das Lächeln nicht unterdrücken.
»Es läuft alles auf einen großen Sieg hinaus, John.«
»Ich weiß nicht, ob es ein Sieg für dich sein wird, wenn du Justine vernichtest hast.«
»Was wäre es anderes als das?«
»Ihr seid zwar keine Partner, aber ihr habt einen gemeinsamen Feind. Oder sogar gemeinsame Feinde. Wie wir beide schließlich auch. Saladin und Mallmann. Es gab mal eine Zeit, da hat eine Justine Cavallo auf deren Seite gestanden, die aber ist vorbei, und deshalb
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