1424 - Das Hexenherz
der Masse zurück. So sehr ich auch schaute, ihre wie eingezeichneten Gesichtszüge waren nicht mehr zu sehen.
Wahrscheinlich brauchte sie noch etwas Zeit, um sich alles durch den Kopf gehen zu lassen. Und bei dem Begriff Zeit schreckte ich schon leicht zusammen, denn es war schon einiges an Zeit vergangen, und eigentlich hätte ich längst Jane und Suko hier erwartet.
Wo blieben sie? So schwer war der Zugang zu diesem Keller doch nicht zu finden.
Es sollte nicht sein, dass ich mir weitere Gedanken darüber machte, denn ich spürte den Windhauch, der in meiner ummittelbaren Nähe vorbeistrich und dafür sorgte, dass die beiden Flammen auf den Säulen heftig anfingen zu flackern.
Der Blick nach rechts gab mir Auskunft über das, was geschehen war. Assunga hatte ihr Versprechen eingehalten, denn sie malte sich nicht mehr im Hexenherz ab, sondern war selbst erschienen.
Sie stand noch halb im Dunkeln verborgen, aber sie sah aus wie immer.
Ich kannte sie gut. Hatte eine Justine Cavallo ihr weiches Lederoutfit, so trug Assunga ihren Zaubermantel, der innen mit einer gelben Haut gefüttert war.
Es gibt Menschen, die eine gewisse Kleidung mit Würde tragen, und das traf auch auf Assunga zu. Wer sie sah, der konnte sich nichts anderes an ihr vorstellen, denn sie wirkte wie eine Königin, die soeben ihren Thron verlassen hatte, um sich zu einer Audienz zu begeben.
Ihre Arme waren nicht zu sehen. Die hatte sie unter dem Mantel verborgen.
»So sieht man sich wieder«, sagte ich zur Begrüßung. »Schön, dass du gekommen bist.«
»So denkst du im Moment, Geisterjäger. Ob es so bleiben wird, weiß ich nicht.«
»Und du willst also Justine das Herz aus dem Körper schneiden?«
»Ich werde es mir nicht nehmen lassen und gebe dir die Chance, dabei zuzuschauen.« Sie deutete auf das Herz. »Du siehst es. Ich habe es geschaffen, und es wird mein neues Wahrzeichen werden. Wie sagt man doch manchmal? Die Herzen der Menschen gehören mir. In diesem Fall ist es wahr geworden.«
Ich kannte ihre Pläne. Ich wusste, wie mächtig sie war und mit welch einer Akribie sie ihre Ziele verfolgte. Ich hätte ihr widersprechen können, was ich jedoch bleiben ließ, denn ich wollte sie in ihrem Glauben lassen.
Deshalb wechselte ich das Thema und fragte: »Nimmst du das Herz denn mit in deine Welt?«
»Ja. Hier hat es vorerst ausgedient.«
Wie sie das anstellen wollte, war nicht meine Sache. Aber ich wusste, dass meine Reise dicht bevorstand, und hätte gern meinen Freunden Bescheid gegeben, die sich leider bisher nicht hatten blicken lassen.
Assunga stoppte plötzlich und wartete. Ich kannte den Grund nicht und überlegte schon, ob sie es sich anders überlegt hatte. Das traf nicht zu. Etwas hatte sie gestört, und das sagte sie mir auch.
»Nimm das Kreuz weg!«
»Warum?«
»Nimm es von deiner Brust!«
Innerlich lächelte ich. Aber es war logisch. Die Schattenhexe musste es hassen. Sie gehörte zur anderen, zur dunklen Seite, und das Kreuz war das Licht. Das Symbol des Sieges, den das Licht über die Dunkelheit errungen hatte.
»Es liegt an dir, Sinclair…«
Ich nickte. »Schon gut, Assunga. Ich habe einmal zugestimmt und werde mich fügen.«
»So ist es richtig.«
Natürlich ließ ich das Kreuz nicht hier unten liegen. Ich gab auch meine Beretta nicht ab. Ich steckte das Kreuz nur in meine rechte Tasche, um es vor den Blicken der Schattenhexe zu verbergen.
»Einverstanden?«
»Ja.«
Ich breitete die Arme aus. »Dann steht unserer Reise ja nichts im Wege.«
»So ist es.«
Die Prozedur war mir bekannt. Um die Reise antreten zu können, mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, und dabei spielte der Mantel eine große Rolle.
Assunga breitete ihn aus. Sie präsentierte mir jetzt ihren Körper, der nicht nackt war, sondern von einem engen, nahezu schlichten Kleid bedeckt war.
Als ich ihr sehr nahe gekommen war, konnte ich einen Blick in ihre grünen Augen werfen.
Nichts war darin zu erkennen. Keine Freude, aber auch keine Falschheit. Neutrale Blicke, die sich auch dann nicht veränderten, als ich dicht vor ihr stand.
»Noch kannst du zurück«, flüsterte sie mir zu.
»Nein.«
»Das hätte mich auch gewundert.«
Einen Lidschlag später schloss sich der Mantelstoff um mich. Ich sah ihr Gesicht, hörte ein Brausen wie einen leichten Sturmwind, und alles, was ich bisher gesehen hatte, verschwand wie weggewischt…
***
Jane Collins hatte ihre Kleidung wieder übergestreift und ging dorthin, wo Suko sie
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