1424 - Das Hexenherz
solltest du diese Tatsachen nicht außer Acht lassen.«
»Lass das meine Sorge sein.«
»War auch nur ein Hinweis von mir.«
Assunga sah aus, als wollte sie vor mir ausspucken. Sie ließ es jedoch bleiben und herrschte mich in einem Befehlston an, mit ihr zu kommen. In diesem Fall gehorchte ich sogar, denn alles war besser, als einfach nur stehen zu bleiben und zu reden.
Ich folgte ihr. Wir verließen die belebteren Stellen dieser Welt. Unser neues Ziel lag jenseits der Bauten. Dort hatte ich auch erlebt, wie Mallmann im Hexenfeuer hatte brennen sollen, wobei er zuvor in einem Käfig eingesperrt worden war. Ich hatte ihm sogar noch den Kopf abschlagen sollen, doch dazu war es letztendlich nicht gekommen, und so konnte Assunga wieder von vorn anfangen.
Warum sich Mallmann und die Schattenhexe so hassten, wusste ich nicht. Aber es war gut, denn gemeinsam wären sie fast unbesiegbar gewesen. Ich hoffte, dass es auch in Zukunft so bleiben würde, denn das machte den Kampf für mich etwas leichter.
Die Hexen begleiteten uns nicht direkt, aber sie folgten uns in einer gewissen Distanz. Der Boden unter meinen Füßen bestand aus harter Erde. Dunkle Baumwipfel spendeten Schatten, aber es existierte auch dieser freie Platz, auf dem das Hexenfeuer damals gebrannt hatte. Es war längst erloschen, und nicht mal ein Hauch von kaltem Rauch durchwehte die recht klare Luft.
Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte diese Welt als eine Insel der Seligen ansehen können. Von hier aus plante und koordinierte Assunga ihre Aktionen, und immer wieder sorgte sie dafür, dass sie genügend Nachschub für ihr Reich bekam, den sie sich unter anderem aus der Welt holte, die ich als meine ansah. Probleme hatte sie dabei kaum. Es gab immer wieder Frauen, die sich für Assunga und ihre Brut interessierten und deshalb leicht zu verführen waren.
Sie machte es ihnen auch leicht. Wenn Menschen sich früher Orte vorstellten, die von Hexen bevölkert waren, dann sahen sie jeweils verdammt schlimm aus. Zumeist hingen sie mit dem Teufel zusammen, denn er fehlte auf fast keinem Bild. Sie und der Bockfüßige trafen sich an düsteren Stellen und unheimlichen Orten, wo sie ihren perversen Neigungen nachgingen und wahre Orgien feierten, bei denen auch die Gewalt nicht zu kurz kam. Das konnte es geben, aber bei Assunga war es anders. Sie liebte die subtileren Methoden, wobei sie im Endeffekt ebenso gnadenlos sein konnte wie die Hexengestalten in den alten Beschreibungen und Holzschnittbildern oder den schaurigen Gemälden, die Angst einflößten, weil sie nur so vor Grausamkeit und Folter strotzten.
Es konnte durchaus sein, dass ich in dieser Welt noch damit konfrontiert wurde, aber ich wartete erst mal da, bis wir das Ziel erreicht hatten.
Lange dauerte es nicht. Justine war gefangen und verschleppt worden, und sie befand sich tatsächlich in der Gewalt der Hexen. Sie war an eine Wegkreuzung geschafft worden und war nicht zu übersehen, ebenso wenig wie der Baum, an dem sie hing.
»Da ist sie, John!« Assunga lachte. »Sieh dir an, was von der großen Justine Cavallo übrig geblieben ist. Nicht mehr als ein hilfloses Bündel, das sich aus eigener Kraft nicht befreien kann.«
Leider hatte sie Recht.
Ich hatte die blonde Bestie noch nie in einer derartigen Lage gesehen. Man hatte sie gefesselt. Ihre Arme waren in die Höhe gereckt worden, standen rechts und links ab und waren an den Handgelenken mit zwei starken Baumästen verbunden worden.
Auch die Beine der blonden Bestie hatte man gespreizt. Die Füße berührten den Boden, aber die Cavallo konnte sie ebenfalls nicht bewegen, weil sie mit Pflöcken verbunden waren, die aus dem Boden ragten.
Hinzu kam noch, dass die Cavallo keinen Fetzen am Leib trug. Für sie musste nicht nur die Fesselung schlimm sein, auch die Demütigung darüber, dass sie so hilflos war, und das noch vor meinen Augen, das konnte ihr nicht passen.
Assunga hätte sich die folgende Bemerkung sparen können, aber sie musste sie einfach loswerden.
»Da ist sie!«
Ich hob die Schultern. »Nicht schlecht gemacht. Kompliment. Es ist nicht leicht, eine Justine Cavallo zu überwinden und so gut wie wehrlos zu machen.«
»Sie ist wehrlos, Sinclair!«
»Nicht ganz. Man sollte ihr trotzdem nicht zu nahe kommen. Sie hat noch immer ihr Vampirgebiss.«
»Du sprichst, als wäre sie deine Partnerin.«
»Das ist sie nicht.«
»Dann bin ich beruhigt.«
»Wieso?«
Die Schattenhexe lächelte mich kalt an. »Das werde ich dir
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