143 - Die Höllenfahrt des Geisterzugs
Urlaubswochen in Garmisch."
„Geht es nicht kürzer?" seufzte Burian.
„Fürchten Sie das, was da draußen lauert, was immer es sein mag? Immerhin stellen Sie Ihr magisches Wissen gegen ein Symbol, das zumindest in den Grundzügen Ähnlichkeit mit einem apokalyptischen Siegel aufweist." Der Mann deutete auf das Fenster.
„Gehören Sie einer Bruderschaft an?"
Wilhelm Meier vollführte eine entschieden ablehnende Handbewegung. „Ich interessiere mich lediglich für alles Okkulte, für die Geschichte der Magie und ihre Einflüsse auf die Menschen. Und ich sammle Zeitungsausschnitte - Artikel wie jene, die über Ihre Praxis geschrieben wurden. War wirklich ein Dämon am Tod des Patienten schuld? Verzeihung, ich wollte Ihnen mit meiner Frage nicht zu nahe treten. Ich wollte eigentlich nur sagen, daß ich am Bahnhof in Garmisch zufällig mit anhörte, wie sich zwei Männer über Sie unterhielten. Sonst, hätte ich Sie schließlich nicht erkannt." In den einzelnen Abteilen des Wagens und im Gang flammten die Beleuchtungskörper auf. Der Schaffner mußte den Strom eingeschaltet haben, sonst hätte man mittlerweile nicht einmal mehr die Hand vor Augen erkennen können. Draußen herrschte absolute Dunkelheit.
„Wo sind wir?" Vergeblich starrte Meier durch das schon wieder beschlagene Fenster hinaus. „Wir sollten Weilheim fast erreicht haben."
Burian warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr. „Es ist erst eins", stellte er fest.
„Seltsam", murmelte Meier. „Bei mir ist es auch dreizehn Uhr. Und meine steht."
„Meine ebenfalls", bemerkte Burian nach einem nochmaligen Blick auf seine Automatic. „Das ist überhaupt das erste Mal seit Jahren." Er wirkte überrascht und aufgeschreckt zugleich.
„Wie lange sind wir unterwegs?" wollte sein Begleiter wissen.
„Wenn Sie so fragen: viel zu lange, fürchte ich."
Wilhelm Meier nickte nachdenklich. „Ich werde den Schaffner holen."
Die Tür stand noch einen Spalt weit offen, deshalb mußte er sich nicht übermäßig anstrengen. Unvermittelt trat Burian hinter ihn.
„Damit Sie mir nicht verlorengehen", sagte er. „Man kann nie wissen."
„Sie trauen mir nicht?"
Burian verzichtete auf eine Antwort. Hintereinander gingen sie den Gang entlang zum nächsten Wagen. Die anderen Passagiere unterhielten sich, lasen oder dösten einfach vor sich hin. Es war ein durch und durch friedliches Bild, das sich bot. Niemand schien Verdacht geschöpft zu haben.
Der Durchgang zum zweiten Waggon bestand aus übereinandergelegten Platten, die heftig schlingerten und gegeneinander rieben. Die seitlichen Gummidichtungen quietschten ununterbrochen. Vergeblich versuchte Burian, einen Blick auf das Gleis zu erhaschen. Auch von unten kam die dräuende Schwärze.
„Geben Sie mir doch Ihre Zündhölzer", bat er seinen Begleiter und fügte hinzu: „Haben Sie Papiertaschentücher?"
Meier reichte ihm beides.
Burian kniete nieder, steckte eines der Taschentücher an. So dicht wie möglich hielt er den brennenden Zellstoff über eine der Öffnungen im Boden. Zu seiner Verwunderung brannte die Flamme ruhig ab; nicht ein Luftzug war zu spüren. Im nächsten Moment stieß er eine Verwünschung aus und riß die Hand zurück. An den verbrannten Fingerspitzen färbte sich die Haut grau.
Trotzdem versuchte er es gleich noch einmal.
„Achtung, der Schaffner kommt!" raunte Meier ihm zu.
Burian ließ das brennende Taschentuch fallen. Es schien sich regelrecht aufzulösen, so blitzschnell verschwand es.
Der Schaffner stieß die Verbindungstür vom anderen Wagen her auf. „Was treiben Sie?" fuhr er Burian ungehalten an. „Wollen Sie den Zug in Brand stecken?"
„Natürlich nicht", erwiderte Wagner.
„Aber eine Erklärung für Ihr Tun haben Sie auch nicht?"
„Wir wollten herausfinden, was es mit der Finsternis auf sich hat", sagte Meier schnell. Lauernd beobachtete er die Reaktion des Schaffners.
„Sie vergessen, meine Herren, daß Sie sich in einem Zug befinden. Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen."
„Wirklich?" hakte Burian ein. „Wie lange sind wir denn unterwegs?"
„Wir werden bald Weilheim erreichen."
„Wie spät ist es eigentlich?" wollte Meier wissen.
„Kurz nach Eins, nehme ich an", sagte der Schaffner.
„Schauen Sie auf Ihre Uhr!"
Der Schaffner zögerte.
„Sollte Ihre Uhr etwa stehengeblieben sein?" fragte Burian.
„Ja, natürlich. Wie kommen Sie darauf?"
„Das ist seltsam, finden Sie nicht? Unsere Uhren funktionieren nämlich ebenfalls nicht
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