1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
genau so. Flüsternd und zugleich hallend.«
»Gut, Mrs Finley. Und Sie können sich nicht denken, wer da zu Ihnen gesprochen hat?«
»Nein, das kann ich nicht. Ich habe keine Ahnung. Mein toter Mann ist es jedenfalls nicht gewesen. Das hätte ich schon herausgefunden, auch wenn sich die Stimme verändert hätte. Aber mein Mann ist es mit Sicherheit nicht gewesen.«
Ich glaubte ihr und wollte wissen, ob sonst noch etwas gewesen war. Kate Finley musste erst überlegen, dann rückte sie mit der Sprache heraus. »Ja, da ist noch etwas gewesen, aber man hat mich nicht direkt angesprochen. Ich habe es auf eine andere Art und Weise bemerkt. Mich streifte plötzlich ein Luftzug.« Sie hob den linken Arm und deutete auf ihre Nacken. »Dort huschte er vorbei. Ein kühler Hauch, als hätte mich in der Leichenhalle ein Geist besucht.«
»Haben Sie denn etwas gesehen?«
»Nein, Mr Sinclair, das habe ich nicht. Wenn ich mich daran erinnere, dann spüre ich ihn jetzt noch. Als wäre ich von etwas aus einer anderen Welt berührt worden.« Sie sprach leiser weiter. »Ich habe schon an die flüchtige Seele meines Mannes gedacht, die richtig von mir Abschied nehmen wollte.« Bei den letzten Worten hatte sich auf dem Gesicht der Frau eine zweite Haut gebildet. »Dann habe ich Sean hierher überführen lassen. Er wurde begraben, und nun geschieht so etwas. Hier soll sich ein Geist oder so etwas Ähnliches gezeigt haben, der dafür sorgte, dass die Menschen von ihren Krankheiten befreit wurden. Angeblich ist das mehrfach geschehen. Da brauchen Sie nur einen Blick auf die Grabbeigaben zu werfen. Begreifen kann ich es trotzdem nicht.«
Das konnte ich gut verstehen. Sie wollte einen Rat haben, aber es war mir nicht möglich, ihr einen zu geben. Ich selbst hatte da meine Probleme, die Dinge einzuordnen. An eine Lüge oder Täuschung glaubte ich allerdings nicht.
»Und, Mr Sinclair, was sagen Sie?«
»Auch jetzt, da ich alles weiß, ist es schwer für mich, dies einzuordnen. Das gebe ich gern zu. Aber ich glaube nicht, dass alles nur Hirngespinste sind.«
Sie lächelte zuckend. »Das ist schon ein Vorteil. Andere Menschen hätten mich ausgelacht.«
»Ich weiß. Aber so weit gehe ich nicht. Dazu habe ich schon zu viel erlebt. Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, für das es noch keine Erklärung gibt. Eventuell muss man die Menschen befragen, die von ihren Krankheiten geheilt worden sind. Möglicherweise haben sie etwas gesehen, das uns weiterhilft.«
»Manche haben von einem Geist gesprochen. Von einer hellen Gestalt, meine ich.«
»Haben sie auch etwas gehört? Hat diese Gestalt zu ihnen gesprochen, wie das bei Ihnen der Fall gewesen ist?«
»Nein, das hat sie wohl nicht. Zumindest habe ich nichts dergleichen gehört. Ich glaube, ich bin die Einzige gewesen, die diese neutrale Stimme hörte.«
»Okay. Das lassen wir mal so stehen.«
»Und wie geht es weiter?«, wurde ich gefragt. »Haben Sie als Polizist möglicherweise eine Idee?«
»Nein, die habe ich leider nicht. Zumindest keine konkrete. Es wäre natürlich sehr hilfreich, wenn sich dieser Geist hier zeigen würde. Aber damit ist wohl nicht zu rechnen, denke ich.«
»Ja, stimmt. Ich habe ihn auch nicht gesehen. Vielleicht müssen wir abwarten, bis jemand kommt, der hier am Grab stehen bleibt und von seiner Krankheit geheilt werden möchte. Da ist mir so vieles durch den Kopf geschossen, verstehen Sie?«
Ich nickte und sprach wieder Realitäten an. »Haben Sie sonst noch etwas vorgehabt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich wollte nur fragen, ob sie jetzt noch einer Tätigkeit nachgehen müssen?«
»Nein, das nicht. Ich wollte nach Hause gehen. In der Firma ist alles okay.«
»Worum handelte es sich dabei?«
»Mein Mann betrieb ein Ingenieurbüro. Und das zusammen mit einem Partner. Allerdings gehörten Sean die meisten Anteile. Glen Griffin besaß nur ein knappes Drittel.«
»Und? Jetzt auch noch?«
»Ja. Das Erbe meines Mannes ist ja auf mich übergegangen. Aber ich überlege, ob ich seine Anteile nicht erhöhen soll. Glen hat sich sehr kooperativ gezeigt. Er hängt sich wirklich rein und schuftet für zwei. Das kann ich beurteilen, denn ich bin auch in unserer Firma tätig. Allerdings im kaufmännischen Bereich.«
»Klar. Das ist oft so.«
Kate Finley hob die Schultern. »Es muss ja irgendwie weitergehen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich bin einfach noch zu jung, um nichts zu tun. Das werden Sie bestimmt verstehen.«
»Sicher.«
Sie deutete auf das
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