1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
antrat.«
»Mir hat er nichts davon gesagt.«
»Aber mir.«
»Und wie attraktiv ist es für uns?«, wollte Kate wissen.
»Es kommt auch darauf an, wie schnell wir sind. Jeder Tag, den wir früher fertig sind, der bringt uns bares Geld.«
»Sehr gut.« Kate aß ein Stück Toast. »Was ist mit der Finanzierung?«
Griffin winkte ab. »Sie ist überhaupt kein Problem. Die habe ich voll im Griff. Selbst die Banken spielen mit.«
»Oh, das ist mir neu.«
Er winkte ab. »Beschwer dich doch nicht. Du bist am heutigen Abend nicht im Büro gewesen. Aber es drängte. Da habe ich mit den Banken telefoniert. Sie schießen vor, und der Zinssatz ist verdammt niedrig für uns persönlich. Man hat eben Vertrauen in uns. Dieser Auftrag ist der erste Sprung von der Insel weg. Rein in den europäischen Markt. Da haben wir dann ein Bein drin.«
Das hörte sich alles sehr gut an. Viele in Kates Lage hätten gejubelt. Nur sie tat es nicht. Sie blieb steif sitzen, schaute Glen Griffin an, ohne ihn richtig wahrzunehmen. Sie wusste selbst nicht, weshalb sie so skeptisch war. Sie kannte Griffin schon lange – okay, eine persönliche Sympathie bestand nicht –, aber als Sean noch da war, hätte sie alles blind unterschrieben. Ihm hatte sie voll und ganz vertrauen können. Das war bei Griffin anders. Bei ihm hatte sie den Eindruck, dass er vorrangig auf seinen persönlichen Vorteil aus war und nicht unbedingt auf den der Firma.
»Was geht jetzt durch deinen Kopf, Kate? Das möchte ich sehr gern wissen.«
Sie lächelte ihn an. »Du weißt doch, Glen, die Gedanken sind frei.«
»Ja, aber du denkst sicher an deinen Mann?«
»An einen Mann!«
»Bitte?«
»Ja, ich denke an einen Mann, den ich heute auf dem Friedhof kennen gelernt habe.«
»Ach, jetzt bin ich aber von den Socken.« Griffin war sprachlos.
Vielleicht tat er auch nur so. »Du denkst an einen neuen Mann, den du auf dem Friedhof kennen gelernt hast?«
»So ist es.«
»Ich dachte, das passiert nur alten Witwen, die nicht nur die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen, sondern auch darauf scharf sind, einen neuen Mann kennen zu lernen. Und da ist der Friedhof wirklich ein geeigneter Ort, denke ich.«
Kate hatte sehr genau zugehört, und ihr Gesicht hatte sich dabei immer mehr verschlossen. Mit dieser Bemerkung hatte Griffin sein wahres Gesicht gezeigt.
Ihm war jedes menschliche Mitgefühl fremd, ihn interessierte nur sein eigener Vorteil. Sie sah auch den lauernden Ausdruck in seinen Augen.
Mit leiser Stimme, aber sehr vernehmlich zischte sie: »Wie kannst du so etwas nur sagen und von mir glauben? Du solltest dich schämen, verdammt noch mal.«
»Moment mal, Kate. Sei nicht gleich pikiert. Was ich dir gesagt habe, das ist allgemein bekannt. Für manche Menschen ist der Friedhof so etwas Ähnliches wie ein Heiratsinstitut. Das sollte auch dir geläufig sein. Deshalb sehe ich meinen Gedanken nicht als so falsch an.«
»Sean ist erst seit drei Wochen unter der Erde!«
»Na und? Es braucht ja kein neuer Kerl zu sein. Aber einer, mit dem du dich unterhalten kannst. Ein Frauenversteher, der sich deine Sorgen anhören kann.«
»Es reicht!«
Mehr sagte Kate nicht. Dafür zog sie ihre Konsequenzen. Sie stand so heftig auf, dass der Stuhl beinahe nach hinten umgekippt wäre.
Eine Antwort bekam Glen Griffin nicht mehr, denn Kate rauschte in Richtung der Toiletten davon.
Sie musste sich erst mal beruhigen und wieder zu sich selbst finden. Das schaffte sie am Tisch und in Griffins Nähe nicht. Dazu wollte sie nur allein sein.
Sie musste an der Theke vorbei gehen, um die schmale Tür zu öffnen, die zu den Toiletten führte. Der Besitzer war ein Fan des Opernsängers Pavarotti, denn an den Wänden hingen Plakate und Zeitungsartikel unter Glas. Sogar eine mit goldenem Stift unterschriebene Autogrammkarte war zu sehen, aber dafür interessierte sich Kate Finley nicht.
Er ist ein Schwein!, dachte sie. Er ist ein menschliches Schwein.
Jetzt, wo Sean tot ist, zeigt er sein wahres Gesicht. Er will die Firma und nichts anderes. Wer weiß, ob der Auftrag wirklich so lukrativ ist. Aber da hat er sich geschnitten.
Wütend öffnete Kate die Tür zur Damentoilette und betrat zuerst den Waschraum, in dem sich außer ihr kein Mensch befand, was sie natürlich freute.
Sie musste sich einfach abreagieren. An diesem Tag war verdammt viel auf sie eingestürmt, das nicht leicht zu verarbeiten war.
Aber es hatte ihr auch die Augen geöffnet über einen Mann, dem Sean einfach zu stark
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