1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
vertraut hatte.
Sie sah Glen Griffin eher wie eine Schlange, die darauf lauerte, das Opfer verschlingen zu können. Bisher hatte er sich zurückgehalten, nun zeigte er sein wahres Gesicht, und das sah für Kate nicht gut aus. Diesem Menschen ging es einzig und allein um die Firma. Die Gelegenheit war günstig. Den Gründer gab es nicht mehr. Er war praktisch taktisch gestorben.
Kate Finley war vor einem der beiden Waschbecken stehen geblieben. Beim letzten Gedanken stockte sie. Ein taktischer Tod. Das Schicksal hatte sich auf Griffins Seite gestellt – oder…?
Sie fing an zu denken. Die Wut hatte sie zurückdrängen können.
Was war, wenn dieser taktische Tod nicht durch das Schicksal – einen Unfall – herbeigeführt worden war, sondern durch einen raffinierten Anschlag? Und das von einer Person, die davon profitierte?
Da gab es nur einen, und das war Griffin.
Als ihr dieser Gedanke kam, konnte Kate nicht anders. Sie stemmte ihre Hände auf den Rand des Waschbeckens und stöhnte auf. Der Gedanke, mit dem Mörder ihres Mannes an einem Tisch zu sitzen, ließ sie erschauern.
Sie ließ kaltes Wasser in ihre Hände rauschen. Bevor sie überliefen, klatschte sie sich das Wasser ins Gesicht.
Die Kälte tat ihr gut. Sie rieb noch über ihre Augen und trocknete sich wenig später mit einem Papiertuch ab. In den letzten Minuten war ihre Nervosität gestiegen. Sie merkte es daran, dass ihr Herz stärker klopfte, und sie fing auch an zu zittern. Allerdings nicht äußerlich, da riss sie sich zusammen. Sie warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor sie sich wieder auf den Weg zurück in das Restaurant machen wollte.
Sie erstarrte.
Plötzlich war alles anders geworden. Zwar sah sie sich im Spiegel, aber sie entdeckte dort noch etwas anderes. Über ihrem Gesicht schwebte ein leicht zitternder Schatten, dessen Anblick dafür sorgte, dass sie zunächst nichts tat und zur Statue wurde.
Täuschung? Irrtum? Spielten ihr die Nerven vielleicht einen Streich? Nein, denn dann hätte sie das Gesicht auf dem Grabstein auch nicht sehen dürfen.
Jetzt war es hier!
Und es hatte sich über das ihre geschoben. Sie sah praktisch zwei Gesichter im Spiegel.
Jemand stöhnte auf. Es war nicht die Erscheinung, denn beim zweiten Stöhnen erkannte sie ihre Stimme.
Das Gesicht hatte sich nicht verändert. Es sah flach aus, aber es war präsent. Es bewegte sich nicht, und trotzdem schien es eine Botschaft zu verbreiten.
Und die hörte sie.
Wieder wehte ihr die Stimme entgegen. Es war eine ferne und gleichzeitig auch unheimliche Botschaft, verbunden mit einem kalten Hauch, der ihr Gesicht und ihren Hals streifte.
»Sei auf der Hut, Kate – sei auf der Hut…«
Eisig rann ein Schauer über ihren Rücken. Von den Schultern und dem Nacken her glitt er nach unten. Ihr Gesicht zeigte dabei einen gespannten Ausdruck, und sie merkte auch, dass sie sehr blass geworden war. Das sah sie, obwohl das andere Gesicht über dem ihrem lag, als wäre es auf den Spiegel gemalt worden.
»Sei auf der Hut…«
Die Warnung wiederholte sich. Kate sah sich nicken. Sie wollte es auch durch Worte bestätigen, nur war sie dazu nicht in der Lage.
Die andere Seite hatte sie zu stark geschockt.
Dann war das Gesicht wieder verschwunden!
Kate stand noch immer vor dem Spiegel. Sie schaute sich an, schüttelte den Kopf und musste sich erst einmal beruhigen. Der Schauer war noch immer da, wenn auch nicht mehr so eisig wie zu Beginn. Eine gewisse Furcht umklammerte sie, obwohl sie eigentlich hätte beruhigter sein müssen, denn das unheimliche Wesen stand auf ihrer Seite. Sie dachte dabei wieder an einen Engel, doch dieser Gedanke war schnell wieder verschwunden. Es gab für sie andere Dinge zu erledigen, und die wollte sie auch in die Hand nehmen.
Die Realität sah so aus, dass sie zurück musste und damit wieder in die Wirklichkeit hinein.
Aber Kate hatte die Warnung verdammt gut verstanden, und sie würde sie nicht vergessen.
Sie hörte das Lachen und die Stimmen von Frauen. Einen Moment später wurde die Tür aufgestoßen. Zwei jungen Frauen betraten schnatternd den Waschraum. Sie blieben stehen, als sie Kate sahen.
Dabei erfassten sie sofort die Lage.
»Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch, es geht schon wieder…«
»Aber Sie sehen blass aus.«
Kate lächelte. »Ich habe mich nur ein wenig abkühlen müssen. Es ist alles okay, vielen Dank.« Sie nickte den beiden Frauen zu und verließ die Toilettenräume.
Kate ging nicht auf dem direkten
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