1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
Kreuz in seiner Sensibilität natürlich aufgefallen war.
Deshalb zögerte ich auch, auf die Tür zuzugehen, und wartete ein paar Meter vor ihr.
Die Stille blieb bestehen. Keine Stimme, die mich ansprach.
Ich holte das Kreuz hervor und ließ es mal wieder in meiner Tasche verschwinden, um es sofort greifbar zu haben. Die Wärme war noch vorhanden, aber schwächer geworden. Es gab auch keine Lichtblitze, die über das Metall huschten.
Ich kam mir ein wenig vor wie ein Vertreter, dem man die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Nur verhielt ich mich anders und bewegte mich auf die Haustür zu.
Man ließ mich gehen. Kein Angriff. Auch keine weitere Warnung meines Kreuzes, und so tat ich, was jeder in meiner Lage getan hätte. Ich legte die letzten Schritte zurück, sah die Klingel vor mir und drückte den Knopf.
Ich wusste nicht, wie Kate Finley mich empfangen würde. Es konnte sein, dass sie enttäuscht war, weil ich so spät kam, und ich hoffte, sie gesund vorzufinden.
Wäre sie ungeduldig gewesen, dann hätte sie die Tür sicherlich schneller geöffnet. Ich legte meinen Finger bereits zum zweiten Mal auf den Knopf, als ich die Stimme aus dem Innern des Hauses vernahm.
»Wer ist da?«
»John Sinclair!«
Es folgte ein Laut, den ich nur schwerlich einordnen konnte. Kate Finley musste aber erleichtert gewesen sein, denn nur wenige Augenblicke später wurde die Tür geöffnet, und die junge Frau schaute mich etwas ungläubig an.
»Sie?«
Ich lächelte. »Ja, Kate, das hatte ich Ihnen doch versprochen.«
»Ja, ja – aber ich habe nicht mehr damit gerechnet. Bitte kommen Sie doch rein.«
»Leider war Ihr Haus etwas schwer zu finden. Ich musste ziemlich lange suchen, aber jetzt bin ich da.«
Kate nickte. Sie lehnte sich an die Wand. Ich schloss hinter mir die Tür, und mein Blick glitt durch den Flur.
Eine Gefahr sah ich nicht. Und als ich die Hand in meine Tasche schob, um das Kreuz zu berühren, konnte ich ebenfalls aufatmen, denn das Metall strahlte keine Wärme mehr ab.
Es war also okay. Ich konnte von einer reinen Luft sprechen, zumindest im Moment.
Kate hatte sich wieder gefangen. Als sie mich anschaute, stellte ich fest, dass sie geweint hatte.
»Sie glauben gar nicht, wie froh ich bin, Sie hier zu sehen, Mr Sinclair.«
»Nennen Sie mich John. Wir sind ja jetzt so etwas wie Verbündete, nehme ich an.«
»Genau«, flüsterte sie, »das sind wir. Das müssen wir auch sein, denn es ist etwas Schlimmes und Schreckliches passiert.«
»Was?«
»Kommen Sie mit ins Wohnzimmer.«
Wir brauchten nur ein paar Schritte zu gehen. Ich betrat den Raum nach Kate Finley und wunderte mich zuerst über die zugezogenen Rollläden. Kate hatte meinen Blick gesehen und erklärte mir, dass sie keine andere Chance gesehen hatte.
»Warum?«
»Das erzähle ich Ihnen gleich. Ich habe Ihnen viel zu sagen. Aber ich muss vorher etwas trinken. Sie auch?«
»Gern.«
»Moment, ich…«
»Ich bleibe bei Ihnen.«
Sie schaute mich kurz an und lächelte. »Jetzt sind Sie also mein Leibwächter.«
»So ähnlich.«
Niemand störte uns, und so betraten wir eine Küche, die sehr aufgeräumt aussah. Da stand alles an seinem Platz.
Kate öffnete die Tür des Kühlschranks.
Alkohol wollten wir nicht trinken. So entschieden wir uns für Säfte. Mit zwei hohen, gefüllten Gläsern gingen wir zurück in den Wohnraum, wo die Sessel bereitstanden, in denen wir Platz nahmen. Eine Couch gab es nicht. Die Sessel gruppierten sich um einen runden Glastisch, der aus zwei Ebenen bestand.
Offene Fichtenholzregale, bestückt mit Büchern und der Technik einer HiFi-Anlage fielen mir ebenso auf wie die unterschiedlichen Farben der Sessel, die allesamt einen hellen Farbton hatten.
Wir tranken. Als Kate Finley ihr Glas auf den Tisch stellte, schloss sie für einen Moment die Augen. Sie sah aus wie jemand, der sich erst sammeln musste.
»Ich habe Glück gehabt«, flüsterte sie.
»Wieso?«
»Dass ich noch lebe.« Sie lachte auf. »Es kann auch sein, dass man mich bewusst am Leben gelassen hat.«
»Dann war jemand da?«
»Ja, Griffin.« Sie deutete auf die geschlossenen Rollläden. »Deshalb habe ich sie auch nach unten fahren lassen.«
»Ist er Ihr Feind?«
»Ja, das ist er. Er ist mein Feind. Und nicht nur das. Er hat sich einen Verbündeten geholt, der ihn so gut wie unbesiegbar macht. Ich spreche vom Teufel.«
Nach dieser Aussage schwieg ich zunächst. Ich merkte nur, dass sich die Haut in meinem Nacken spannte. Den Begriff Teufel
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