1435 - Tödlicher Frost
großes Problem.
Grassow dachte nicht länger darüber nach. Er zog es durch.
In den Baracken würden gleich die Alarmsirenen aufheulen. Das Antreten würde nicht lange dauern, und wenn er die Truppe dann losschickte, um die Eisleichen zu suchen, dann mit einem Schießbefehl. Etwas anderes kam nicht mehr in Betracht…
***
Der alte Wagen war mir einigermaßen vertraut. Ich hatte ihn zum Glück schon gefahren, und so bereitete mir das Starten keine Mühe.
Es schneite noch immer. Aber es schneite nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Minuten.
Die Flocken rieselten langsamer vom Himmel. Sie tupften gegen die Frontseite und wurden von den quietschenden Wischern entfernt.
Ein konkretes Ziel hatte ich nicht. Ich wollte mich nur in der Umgebung umsehen. Da der Schnee eine weiße Schicht auf den Boden gelegt hatte, konnte ich auf das Einschalten der Scheinwerfer verzichten.
Kalt war mir nicht. Die Sorge um Karina Grischin war in mir wie eine Flamme, die mir einheizte.
Natürlich wollte ich in kurzer Zeit so viel wie möglich erreichen, nur machte da die Beschaffenheit des Bodens nicht mit. Ich musste verdammt Acht geben, um auf dem weichen Untergrund nicht von einer Seite zur anderen zu schlingern.
Obwohl ich ohne Licht fuhr, sah ich überall die Konturen der leblosen Männer, die auf dem Boden lagen. Die Soldaten sahen aus wie hingeworfen. Keiner rührte sich mehr. Sie mussten von den Angreifern völlig überrascht worden sein, und dann hatte sie dieser tödliche Frost erwischt.
Ich hätte gern angehalten, um mich näher mit ihnen zu beschäftigen. Doch erst musste ich Karina und mit ihr den Schamanen finden.
Der Motor dröhnte laut in der Stille. Unter den Reifen schmatzte der frisch gefallene Schnee. Immer wieder geriet der Wagen leicht ins Rutschen, aber es gab kein Hindernis, gegen das er hätte stoßen können.
Mir fiel das Drehlicht am kleinen Wachturm auf, der als Tower diente. Ich lenkte das Fahrzeug herum und fuhr auf direktem Weg darauf zu.
Schnee wirbelte in die Höhe. Der Wagen rollte durch die hellen Lichtinseln der Scheinwerfer, ohne dass ich von irgendeiner Seite angegriffen wurde. Die ganze Umgebung kam mir wie tot vor, doch genau das war sie nicht. Hier verbarg sich das Grauen im Hintergrund.
Und in dessen Zentrum musste sich Karina Grischin befinden.
Karina war die Person, um die sich alles drehte. Sie hatte mich um Hilfe gebeten, und ich fühlte mich in diesen Augenblicken als Versager.
Ich wollte sie nicht verlieren. Ich wollte nicht, dass sie getötet wurde. Zu viele meiner Freunde waren in der letzten Zeit schon gestorben. Nicht auch noch die junge Russin. Ich wollte nicht daran denken, und wenn ihr Partner Wladimir Golenkow davon erfuhr, dann…
Nein, keine Gedanken an das, was noch nicht eingetreten war.
Nach vorn schauen und versuchen, das Beste aus der Lage zu machen.
Den nahen Kasernenbereich hatte ich abgefahren. Ich sah auch keine Menschen mehr im Schnee liegen. Dafür lockte mich die Landebahnbeleuchtung, die nach dem Schneefall wieder deutlicher zu sehen war. Sie wies mir die Richtung, und genau dorthin drängte es mich nun.
Ich gab Gas.
Ein Fehler auf dem glatten Boden. Doch ich bekam den schleudernden Wagen schnell wieder in meine Gewalt. Die Scheinwerfer brauchte ich auch weiterhin nicht, denn von der Landebahn, die ebenfalls weiß vom Schnee war, hob sich etwas ab.
Menschen?
So ganz sicher war ich nicht. Jedoch fieberte ich der Wahrheit entgegen. Aus meiner Position sah es mehr wie eine Masse aus, dunkel und bewegungslos, aber vor der Masse hoben sich, soviel ich erkennen konnte, zwei Personen ab.
Ob es sich bei der einen um Karina Grischin handelte, war für mich nicht zu erkennen. Dazu musste ich näher heran. Obwohl es mich innerlich drängte, schneller zu fahren, ging ich vom Gas. Ich wollte nichts überstürzen und auch nicht so schnell entdeckt werden.
Ich schlich mich förmlich heran und behielt das, was ich sah, fest im Auge, bis ich mir sicher war, Karina Grischin zu sehen. Sie stand vor dem Pulk, aber sie war nicht allein. In ihrer Nähe hielt sich jemand auf, der so ein langes Gewand trug.
Der Schamane hatte Karina gesucht und gefunden.
Aber ich wusste nicht, ob sie noch lebte oder bereits Opfer des tödlichen Frosts geworden war…
***
Karina sagte nichts. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr der Mund verschlossen worden. Sie musste zunächst darüber nachdenken, was ihr da gesagt worden war. Damit hatte sie Probleme, denn sie wollte es nicht
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