1435 - Tödlicher Frost
Schamane von einem Leben sprach, konnte das für sie nur den Tod bedeuten…
***
Major Grassow saß in der Bude seines Fahrers, die er als überheizt empfand. Er konnte den Blick nicht von Jasper lösen. Er konnte sich auch nicht vorstellen, es mit einem noch normalen Menschen zu tun zu haben. Eher mit einem am Waschbecken stehenden Toten, der eigentlich längst hätte umgekippt sein müssen.
Aber Jasper stand, und Jasper blieb auch weiterhin stehen, was der Offizier nicht fassen konnte.
Ein paar Mal nahm er seine Mütze vom Kopf und fuhr sich durch die feuchten Haare. Am liebsten hätte er geschrien und wäre losgerannt, um irgendetwas zu tun. Stattdessen hockte er in der engen Bude, ohne den Blick von Jasper lösen zu können.
Was war wirklich mit ihm? Wie fühlte er sich? Konnte er noch denken und seinen eigenen Gedanken folgen?
Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Jasper war starr geworden, eingefroren, obwohl sich auf seiner Haut keine Eisschicht zeigte, wie es eigentlich normal gewesen wäre.
Auch die Wärme im Raum schaffte es nicht, ihn aufzutauen. Genau das war ein weiteres Rätsel.
Seine Hoffnungen konnte der Major eigentlich nur auf diesen Engländer setzen. Ob der es allerdings schaffte, war fraglich, und so kam ihm der Gedanke, selbst etwas zu unternehmen. Er wollte nicht nur einfach herumsitzen und abwarten.
Der Major stand auf. Der Engländer hatte Jasper angefasst, aber nicht viel darüber gesagt. Und Grassow wollte es wissen, wobei er sehr vorsichtig sein musste.
Er war auch bereit, im Notfall zu schießen, und deshalb holte er seine Pistole hervor.
Jasper starrte nur nach vorn. Seine Augen bewegten sich nicht.
Und auch als sein Vorgesetzter die Waffe zog, änderte sich bei ihm nichts. Er starrte einfach nur vor sich hin, das war alles.
Grassow musste sich schon einen Ruck geben, um auf den leblosen und steifen Fahrer zuzugehen. Er bewegte sich sehr langsam, ging mit kleinen Schritten vor, Jasper dabei nicht aus den Augen lassend. Er war bereit, sofort zu handeln, wenn es sein musste.
Jasper tat nichts.
Er atmete auch nicht. Zumindest war für Grassow nichts zu hören.
War er doch tot?
In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Der Engländer hatte Jasper angefasst. Es war nichts geschehen, und der Major glaubte nicht daran, dass dieser Sinclair besser war als er.
Er streckte Jasper die Hand entgegen. Sein Ziel war nicht der Kopf.
Er wollte es an den Fingern des Mannes probieren, denn auch dort würde er spüren können, was mit ihm geschehen war.
Kalt! Ja, er war kalt. Aber anders kalt als sonst, wenn Jasper aus einer frostigen Nacht zurück in die Kaserne gekommen war.
Sofort zog der Major seine Hand wieder zurück. Er wartete noch und war darauf vorbereitet, dass auch ihn die Kälte erfassen konnte und ihn unbeweglich machte.
Es trat nicht ein. Nur ein leichtes Rieseln in seinen Adern war zu spüren gewesen. Um seine Lippen huschte ein erstes Lächeln. Er hatte jetzt den Eindruck, sich auf der Siegerstraße zu befinden.
Und Sieger mussten etwas tun. Sieger waren einfach nicht dazu da, im Hintergrund zu warten.
Angriff!
Nicht allein, mit seinen Soldaten. Auch wenn dieser Engländer das bestimmt nicht gern sah, aber dieser Grund und Boden war sein Reich, und hier besaß er die Befehlsgewalt.
Er musste die Männer außerhalb der Kaserne erreichen. Er konnte über ein Walkie-Talkie mit ihnen sprechen. Seinen Männern hatte er befohlen, sich ruhig zu verhalten und sich erst zu rühren, wenn er es wollte.
Grassow war es gewohnt, Befehle zu erteilen, doch diesmal war es anders, denn er schaffte es nicht, den Offizier zu erreichen, der draußen am Rollfeld die Befehlsgewalt besaß.
»Was ist das, verdammt?« Grassow versuchte es auf einer anderen Frequenz und kam dort auch nicht durch. Allmählich fand er sich damit ab, dass mit seinen Männern draußen etwas nicht stimmte.
Sie mussten völlig überrascht worden sein, aber nicht von ihm, sondern von den Feinden.
Er schloss die Augen.
Plötzlich merkte er, wie sein Herz klopfte. Viel schneller und härter als gewöhnlich. Ein leichter Schwindel erfasste ihn, und sein Gesicht verlor an Farbe. An seinen Schläfen hämmerte es, und er spürte, dass Furcht und Wut zugleich in ihm hochgespült wurden.
Major Grassow war sich seiner Verantwortung bewusst. Und er war in diesem Moment froh, dass er nicht alle Leute ins Freie geschickt hatte. Die meisten hielten sich noch in den Kasernenbauten auf. Sie zu alarmieren war kein
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