1438 - Kinder der Retorte
war.
Aribo erinnerte das Humanidrom an einen überdimensionalen metallenen Brutkolben. Die bauchigen, konkaven und konvexen Außenflächen überschnitten einander auf eine Weise, so daß an den Schnittstellen Höhlen entstanden, die tief in die Station hineinzureichen schienen.
Manche dieser Röhrenöffnungen bogen sich zu ihrem Ausgangspunkt zurück, schienen umgestülpt worden zu sein und sich selbst zu kreuzen. Die vielen Flächendurchschneidungen und die daraus resultierenden Löcher bewirkten bei längerer Betrachtung ganz eigenartige optische Täuschungen.
Pheldor, durch die Behandlung eines Medo-Robots wiedererstarkt, hatte sie ins Bordobservatorium geführt, um sich mit ihnen ungestört unterhalten zu können. Die Anwesenheit so vieler Kollegen, darunter auch vier Terraner, die an ihren Stirnreifen zu erkennen waren, empfand er nicht als störend. Sie hatten sich alle hier eingefunden, um das Humanidrom durch die große Glaskuppel in natura bewundern zu können.. „Das Schlimme ist, daß ich Clynacs Aussehen selbst nicht kenne", eröffnete ihnen Pheldor. „Obwohl er schon viele Male auf Aralon war und ich indirekt mit ihm zu tun hatte, wenn er sich auf seine Weise meiner Klone annahm, habe ich ihn noch nicht persönlich kennengelernt."
„Aber er ist ein Cantaro - ein Droide", warf Plinal ein. „Da kann es nicht so schwer sein, ihn zu identifizieren."
„Cantaro sehen nicht alle gleich aus, es gibt sie in allen möglichen Abstufungen der Technisierung", erklärte Pheldor. „Manche von ihnen sind äußerlich nicht als Droiden zu erkennen, andere wiederum sehen schon fast wie Roboter aus, haben äußerlich nur noch ganz wenige biologische Komponenten. Es gibt nur eine Faustregel für Cantaro - sie sind humanoid und sehen im günstigsten Fall Terranern verblüffend ähnlich."
Pheldor ließ den Blick über die Menge schweifen, bis er einen der Terraner ins Auge gefaßt hatte. Dazu flüsterte er: „Durchaus möglich, daß dieser angebliche Terraner in Wirklichkeit Clynac ist. Er kann aber auch in jede andere Maske geschlüpft sein, denn ihm werden viele Tarnmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn er auf Klonjagd ist."
Der Terraner, auf den Pheldor mit den Blicken verwies, war groß und schlank, hatte ein schmales Gesicht mit tief in den Höhlen liegenden Augen und einen kleinen, fast lippenlosen Mund. „Das ist gewiß nicht Clynac", behauptete Aribo voller Überzeugung. „Wenn ich sonst auch nichts von ihm kenne, seinen wulstigen Mund werde ich nie vergessen."
„Sei da nicht so sicher", warnte Pheldor. „Auch das kann bloß Tarnung gewesen sein." Er machte eine abschließende Handbewegung und fügte hinzu: „Aber ich will euch nicht unnötig ängstigen. Ich bin überzeugt, daß sich Clynac seiner Sache so sicher ist, daß er die Jagd ausdehnt und nicht an Bord der ARASIM beenden wird.
Wir haben eine Gnadenfrist bis nach der Landung auf Plophos."
„Wie kommst du zu dieser Überzeugung?" erkundigte sich Plinal. „Erstens kenne ich Clynacs Methoden", antwortete Pheldor. „Er hat stets mit seinen Opfern gespielt und ihnen die Möglichkeit zur Gegenwehr gelassen, wenn auch nie Chancengleichheit bestand. Er jedenfalls versteht sich als Sportsmann. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, der mich zuversichtlich macht. Da er unser Gespräch belauscht hat, weiß er, daß ich Informationen über WIDDER habe. Und daran ist er weitaus mehr interessiert als an euch beiden." Er machte wieder eine abschließende Handbewegung. „So, genug davon! Genießt jetzt die Aussicht. Ich nehme an, daß ihr die Bedeutung des Humanidroms nicht kennt."
„Wir wußten nicht einmal von seiner Existenz", sagte Plinal.
Das Humanidrom war eines der großen und wichtigen Monumente der Milchstraße, vergleichbar etwa mit der terranischen Mondsyntronik NATHAN oder der Klonfabrik von Aralon. Es wurde zum Ruhm der Galaktiker erschaffen, aber auch als Mahnmal, das an die Hybris jener übergeordneten Mächte erinnern sollte, die mit den kosmischen Kräften gespielt hatten und damit den Untergang allen Lebens außerhalb der Milchstraße herbeiführten.
Die Geschichte besagte, daß NATHAN diese Weltraumstation im Jahre 800 initiiert und die Cantaro sie nach den Plänen der Gigantsyntronik und mit Unterstützung der Nakken gebaut hatten.
Allein die Fertigstellung der ersten Baustufe hatte volle fünfzig Jahre gedauert, und noch einmal so viel Zeit war vergangen, bis die Cantaro und Nakken die technische Ausstattung im Innern
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