1438 - Kinder der Retorte
solcher faszinieren mich die Möglichkeiten, die das Klonen bietet. An die Möglichkeit, daß Klone natürlich geborene Lebewesen verdrängen und ablösen könnten, habe ich nie gedacht und scheue mich immer noch, sie wahrzuhaben. Dabei sprechen viele Indizien dafür."
Um seine Tätigkeit mit seinem Gewissen vereinbaren zu können, hatte er sich schon vor Jahrzehnten einer Widerstandsorganisation angeschlossen und gelegentliche Sabotageakte gegen das System durchgeführt. „Aribo, erinnerst du dich der Explosion während einer Exkursion in der Hyguphoten-Zellbank, bei der das gesamte Genmaterial zerstört wurde? Ich war es, der die Bombe gelegt und gezündet hat.
Das war so etwas wie eine moralische Reinigung für mich. Denn auf diese Weise habe ich Tausende und Abertausende potentieller Kreit-Krieger vernichtet - und konnte danach beruhigter an meine eigene Arbeit gehen."
Obwohl Pheldor seine moralischen Schwächen kannte, konnte er nicht dagegen an; er war immer in erster Linie Wissenschaftler gewesen, der die an ihn gestellten Anforderungen nach bestem Wissen - aber nicht auch nach bestem Gewissen - erledigte.
Als er den Entschluß faßte, einen Nachkommen von sich zu klonen, da stand für ihn fest, daß es nicht ein genaues Ebenbild von ihm sein durfte. Sein Klon-Sohn sollte einen gefestigten Charakter, gepaart mit Kampfgeist, einem unbeugsamen Willen und Zivilcourage, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besitzen, freiheitsliebend und stark sein.
Diesen wichtigen Charaktereigenschaften wollte er auch gerne geistige Fähigkeiten hintanstellen, etwa sein eigenes wissenschaftliches Genie. Denn er glaubte, daß sich beides nicht miteinander vereinbaren ließ. „Bist du sicher, daß du von mir sprichst?" erkundigte sich Aribo zweifelnd. „Im zweiten Punkt, das fehlende wissenschaftliche Genie betreffend, kann ich dir nur zustimmen.
Aber was die Charaktereigenschaften betrifft..."
„Diese werden zutagetreten, wenn die Zeit gekommen ist", behauptete Pheldor überzeugt. „Bis jetzt wurdest du noch nicht gefordert. Aber wenn du erst bei WIDDER bist, die Freiheit und das galaxisweite Elend kennengelernt hast, dann wirst du deine Stärken hervorkehren. Davon bin ich überzeugt."
„Was hat es mit WIDDER auf sich?" warf Plinal ein. „Aribo hat mir gesagt, daß du diesen Begriff ihm gegenüber schon einmal in den Raum gestellt hast."
„WIDDER ist die Tarnbezeichnung für jene Widerstandsorganisation, für die ich - viel zuwenig, wie ich gestehen muß - tätig bin", erklärte Pheldor. Aber er hatte noch Kontakte zu WIDDER und wollte diese nutzen, um Aribo und Plinal der Obhut dieser Organisation zu übergeben.
Pheldor hatte diesen Schritt von langer Hand vorbereitet. Ihm war klar gewesen, daß er Aribo nur eine Zeitlang beschützen konnte, daß sein Sohn aber - bei seinen vorbestimmten Charaktereigenschaften, die vom System als absolut negativ beurteilt werden würden - die Abschlußtests nie bestehen konnte.
Aus diesem Grund wollte Pheldor dafür sorgen, daß Aribo zum entscheidenden Augenblick die Möglichkeit bekommen sollte, eine andere Identität anzunehmen.
Aus Gründen der Sicherheit hatte er sogar mehrere Scheinexistenzen aufgebaut und die dazugehörigen Dokumente gefälscht - eine davon konnte er nun Aribos Freund Plinal zur Verfügung stellen. Wenn sie erst einmal Plophos erreicht hatten, dann konnten sie untertauchen, mit WIDDER Verbindung aufnehmen und danach ein Leben unter anderen Namen beginnen. Es war alles vorbereitet. „Wenn ihr euch strikt an meine Anweisungen haltet, dann muß es euch gelingen, euch dem Zugriff des Systems zu entziehen", sagte Pheldor zuversichtlich. „Was meinst du mit System?" fragte Aribo.
Pheldor gab ein glucksendes Geräusch von sich, das sich wie ein unterdrücktes Lachen anhörte. „Das weiß ich selbst nicht genau. Ich habe diesen Begriff einfach gewählt, weil ich überzeugt bin, daß hinter allen galaktischen Aktivitäten eben System steckt und daß damit ein bestimmtes Ziel verfolgt wird."
Was das System eigentlich war, wer dahintersteckte und welche Ziele es verfolgte, davon hatte Pheldor selbst keine Ahnung. Soweit er wußte, hatten auf diese Fragen nicht einmal die WIDDER-Leute Antworten. Sosehr Pheldor auch grübelte, er kam nicht dahinter.
Sicher, spezialisierte Klone, die darüber hinaus noch als sture Befehlsempfänger gezüchtet worden waren, waren leicht zu handhaben. Geklonte Gentechniker fragten nicht nach Sinn und moralischem Anspruch ihrer
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