1439 - Totenfeld
er ging davon aus, dass die Gestalt sie töten wollte.
Beim Laufen gelang ihm ein Blick in das Gesicht, das eigentlich keines war. Mehr eine weiche Masse, in der allerdings das weit geöffnete Maul auffiel.
Er stolperte auf Lizzy zu.
»Das verstehe ich nicht. Du?«
»Nein, aber wir müssen weg.«
»Was ist das?«
»Ist doch jetzt egal, Ari! Wenn wir noch länger hier bleiben, sind wir verloren.«
Lizzy hatte endlich die richtigen Worte gefunden, die auch Ari aus seiner Lethargie rissen. Es wurde auch höchste Zeit, denn das Wesen drehte sich bereits in ihre Richtung. Sicherlich wollte es ihnen nicht nur seine Pranke auf die Schulter legen.
Sie drehten sich um, und sie rannten von der Lichtquelle weg hinein in den Dunst. Sofort war die Welt wieder eine andere für sie geworden. Sie sahen nichts, sie hörten nichts, sie hatten das Gefühl, durch eine Wand zu rennen, die sich vor ihnen zurückzog, um sich hinter ihnen wieder zu schließen. Es war Zufall, dass sich ihre Hände fanden, und so hielten sie sich gegenseitig fest, als wollten sie sich selbst Mut machen.
Die Fluchtrichtung war wichtig, und die hielten sie auch ein. Nur nicht zur Seite rennen und irgendwelche Dinge versuchen, die ins Auge gehen konnten.
Die Straße, auf der ihr Van stand, hob sich kaum vom Feld ab. Der Nebel hatte jeden Unterschied ausgeglichen, und so hatten sie auch Pech, als sie den Graben erreichten. Sie hätten ihn überspringen können, hätten sie ihn gesehen. Leider war das nicht der Fall. Gemeinsam traten sie ins Leere, und als kein Widerstand mehr unter ihren Füßen zu spüren war, stolperten sie schon nach vorn.
Gemeinsam landeten sie im Graben auf der schmutzigen und sehr feuchten Erde. Sie hatten dabei das Glück gehabt, nicht auf das Motorrad zu fallen.
So konnten sie sich unverletzt wieder hochrappeln und aus dem Graben kriechen. Erst auf der nebligen Straße richteten sie sich wieder auf.
Lizzy sagte etwas. Ari konnte es nicht verstehen. In ihren Augen sah er ein Flackern. Die Angst vor diesem Ungeheuer hielt sie noch immer in ihrem Bann.
Ari trat einen Schritt zur Seite. Er wischte über sein Schweißgesicht. Seine Knie waren weich geworden, deshalb auch das Zittern.
Mit Mühe hielt er sich noch auf den Beinen.
Er blickte zurück. Das Feld hatte sich an einer Stelle verändert. Da die beiden Lampen noch strahlten, war in der Nebelwand ein heller Fleck zu sehen. Beide schauten hin und sahen, wie die Schwaden durch das Licht krochen. Sie bewegte sich lautlos wie Geister. Aber der Schatten, der sich dort abzeichnete, war kein Geist. Das war der Umriss des Ungeheuers.
Ein Mensch?
Ja, von der Gestalt her. Da gab es einen Körper mit zwei Armen und zwei Beinen. Der Kopf war ebenfalls vorhanden. Er wirkte aus der Entfernung betrachtet sogar recht klein.
Der Unhold stand im Licht. Und er blieb dort stehen.
Lizzy zerrte an Aris Ärmel. »Komm endlich. Wir müssen von hier verschwinden.«
»Warte noch!«
»Warum denn, verflucht?«, schrie sie.
»Weil ich sehen will, was er vorhat.«
»Das kann ich dir sagen! Er will uns! Er will uns killen, töten, kaputtmachen, was auch immer. Ich will hier nicht sterben, ich will…«
»Schau mal hin.«
»Nein!«
»Los, schau hin! Da kannst du sehen, was er vorhat.«
Lizzy begriff das Verhalten ihres Freunde zwar nicht, aber allein wollte sie auch nicht flüchten, und so blieb sie neben ihrem Freund stehen und wartete.
Sekunden später war die große Angst vergessen, denn jetzt interessierte auch sie das Verhalten der Gestalt, die sich umgedreht hatte und sich dem Toten näherte, der an dem Pfahl festgebunden war.
Lizzy stöhnte auf. Sie sah, dass der Unhold den Leichnam vom Pfahl riss. Bevor er zu Boden fallen konnte, fing die Gestalt ihn auf und legte ihn über ihre Schulter.
Beide glaubten, ein Knurren zu hören, aber das konnte auch eine Täuschung sein.
Der Unhold, der aus der Erde gestiegen war, trat zwei Schritte zur Seite, blieb aber im Licht. Lizzy und Ari wunderten sich, dass die Gestalt ihre Beute auf den Boden warf.
Dann stürzte sie sich auf sie.
»Was ist das denn?«, flüsterte Lizzy.
»Keine Ahnung.«
Sie schauten weiter zu, auch wenn ihnen die Angst im Nacken saß.
Und sie wurden Zeugen von einem unglaublichen Vorgang. Der Unhold setzte seine Pranken ein. Zuerst dachten sie, dass er auf das Wesen einschlagen wollte, doch das war ein Irrtum. Er musste Fingernägel wie Krallen haben, denn er fetzte die Kleidung regelrecht vom Körper des Toten. Mit
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