1448 - Flucht ins Bluthaus
John«, sagte Suko, »denn du hast das Kreuz!«
Der Geist und ich standen uns gegenüber. Wir starrten uns an.
Blick bohrte sich in Blick. Ich ging nicht davon aus, dass ich mit normalen Augen angeschaut wurde. Diese Gestalt war nur eine Erscheinung, ein feinstoffliches Etwas und nicht mehr.
Ich sah ihn aus allernächster Nähe, und irgendwie keimte bei mir der Verdacht auf, dass er es bewusst auf eine Auseinandersetzung anlegte. Er wollte den Kampf und damit möglicherweise auch die Erlösung aus diesem üblen Dasein.
Ich wusste nicht, wie er in diese Lage hineingeraten war und wie er als normaler Mensch reagiert hatte. Jetzt jedenfalls stand er auf der andere Seite und war dabei in ein Räderwerk geraten, aus dem er sich aus eigener Kraft nicht befreien konnte.
Er tat nichts.
Zwar hatte er sein Beil halb angehoben, den Eindruck eines Angreifers machte er aber nicht. Es stand starr auf der Stelle und zeigte mir nur sein verzerrtes Gesicht.
Das Kreuz steckte noch in meiner Tasche. Ich ließ die rechte Hand langsam hineingleiten und spürte die intensive Wärme an meiner Haut, die mir eine gewisse Ruhe gab.
Ich holte das Kreuz langsam hervor. Auf keinen Fall wollte ich die Gestalt erschrecken.
Sie tat nichts. Keine Bewegung. Kein Zittern. Nicht mal ein Zucken der Augen.
Noch war das Kreuz für den Mann nicht zu sehen. Das änderte sich Sekunden später, als ich es offen hielt und es ihm so entgegenstreckte, dass er es nicht mehr übersehen konnte.
Ich sah, wie er die Augen öffnete. Sein Gesicht veränderte sich.
Obwohl er nur feinstofflich war, entdeckte ich die Angst in seinen Zügen. Er schien zu wissen, dass sein Weg das Ende erreicht hatte, und er tat nichts von dem, was ich erwartete. Er riss das Beil nicht hoch, um anzugreifen. Er starrte mich an oder eher das Kreuz, so genau war das für mich nicht zu erkennen.
Ich ging einen Schritt auf ihn zu. Ich nahm die andere Seite als Vibration in meiner Umgebung wahr. Ich spürte auch die Gänsehaut auf meinen Armen, und im nächsten Augenblick schob ich die Hand mit dem Kreuz in die feinstoffliche Gestalt hinein.
Ein Schrei – oder?
Nein, das war mehr ein schrilles Geräusch im hohen Frequenzbereich. Ich musste es allerdings als Schrei hinnehmen, und er war der Anfang vom Ende.
Das helle, das wunderbare und Mut gebende Licht des Kreuzes kannte ich zur Genüge.
Er aber nicht.
Der Geist wurde davon voll erwischt, und er blieb nicht mehr so, wie ich ihn vorher gesehen hatte.
Licht durchflutete ihn. Aber es gab ihm keinen Schutz, wie das bei mir der Fall war. Das Licht verwandelte sich in eine helle Wolke, die vom Boden abhob und die geisterhafte Gestalt mit sich zerrte. Der Mann mit dem Beil schwebte innerhalb der Lichtaura über dem Boden und zeichnete sich wegen ihrer etwas dunkleren Farbe sogar gut sichtbar ab.
Bis es passierte!
Zu stark war die Kraft meines Kreuzes, die sich gegen die der Hölle stemmte.
Es kam zu einer regelechten Explosion innerhalb des Lichtzentrums. Dabei war nichts zu hören, aber Suko und ich konnten verfolgen, was passierte.
Die Kraft meines Kreuzes war stärker gewesen. Ich hatte darauf gesetzt und mich nicht geirrt.
Tief atmete ich durch. Über meine Lippen huschte ein Lächeln. Ich fühlte mich innerlich erleichtert, denn ich war mir sicher, diesen verdammten Fluch gebrochen zu haben. Hier würde sich nichts mehr durch die Kräfte der Hölle manifestieren. Jetzt hatten die Seelen ihre Ruhe gefunden, und das Haus konnte wieder von normalen Menschen betreten werden, wobei ich das keinem gönnte, denn er würde, durch den Gestank geleitet, auch die Toten finden.
Suko deutete ein Klatschen an. Ich winkte nur ab. »Es war keine Kunst. Allerdings sind wir wieder so weit wie zuvor. Justine Cavallo sehe ich auch jetzt nicht.«
»Ich glaube mittlerweile, dass sie gar nicht hier im Haus ist.«
»Dann kann sie ja eigentlich nur bei unserem Transporter sein.«
»Das denke ich auch. Sie wird dort stehen, uns angrinsen und sich wahrscheinlich dafür bedanken, dass wir so viel für sie getan haben. Schließlich haben wir das Haus von dem Geist befreit.«
Ich schaute meinen Freund an und schüttelte dabei den Kopf.
»Und wovon träumst du in der Nacht?«
»Wieso? Denkst du an etwas anderes?«
»Darauf kannst du dich verlassen, mein Lieber. Ich denke, dass wir uns etwas vormachen. Eine Justine Cavallo hat immer andere Pläne, als wir uns vorstellen.«
»Okay, das werden wir sehen.«
Mein Freund machte sich auf den Weg zur
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