1448 - Flucht ins Bluthaus
Großes und Dunkles schwebte wie ein riesiger Urzeitvogel durch die Luft. Doch dieses Gebilde war kein Vogel, sondern eine riesige Fledermaus, die sich in eine menschliche Gestalt verwandeln konnte und auf den Namen Will Mallmann hörte.
Sie ließ ihn nicht aus den Augen und stellte fest, dass auch Dracula II sich recht vorsichtig bewegte. Er musste den Transporter längst entdeckt haben, aber er flog nicht direkt darauf zu. Nur langsam sank er tiefer. Das erinnerte an ein großes Tuch, das ausgebreitet in Richtung Erdboden fiel und so landete, dass Justine nichts mehr erkennen konnte.
Zwischen ihr und dem Vampir stand der Wagen. Das störte sie nicht weiter, denn sie wusste schließlich, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Abwarten. Lauern. Zuschauen, was die andere Seite vorhatte.
Es vergingen nicht mal zehn Sekunden, da sah sie Mallmann erneut. Nur war er keine Fledermaus mehr. Er hatte seine menschliche Gestalt angenommen. Er ging hin und her, und an seiner Haltung erkannte sie, dass er ein Telefon gegen sein Ohr gedrückt hielt.
Es war für sie keine Frage, wem dieser Anruf galt.
»Saladin«, flüsterte Justine.
Es war klar, dass Mallmann die Sache nicht allein durchziehen wollte. Wie sie Saladin kannte, würde er bald in Mallmanns Nähe erscheinen, und so war es dann auch.
Urplötzlich war er da. Zuvor hatte er sich durch nichts angekündigt. Er stand bei Mallmann, als hätte ihn eine Wolke ausgespien.
Beide redeten miteinander. Justine fiel auf, dass dieses alte Haus für sie nicht so interessant war. Sie kümmerten sich mehr um den Wagen und dessen Ladung. Schließlich stiegen sie beide ein.
Für Justine lag auf der Hand, was sie vorhatten. Sie würden verschwinden, irgendwo in der Einsamkeit anhalten und sich dann um die fünf hypnotisierten Menschen kümmern. Und das hieß nichts anderes, als dass Mallmann ihr Blut trinken würde.
Sie gab ein leises Knurren ab, als sie daran dachte. Mallmann würde sich mehr als satt trinken können, und genau das passte ihr nicht.
Nicht, weil sie ihnen das Blut gern selbst ausgesaugt hätte, denn sie war im Moment noch satt, nein, es ging ihr einzig und allein um Dracula II, denn sie gönnte ihm den Trank nicht.
Justine sah ein, dass sie sich in einer Zwickmühle befand. Es kam jetzt auf ihr Verhalten an. Wenn sie falsch reagierte, war alles vorbei.
Zunächst wunderte sie sich darüber, dass der Wagen nicht gestartet wurde. Saladin konnte ein Auto lenken, Mallmann ebenfalls.
Warum fuhren sie nicht los?
Der Schlüssel! Ihnen fehlte tatsächlich der Schlüssel. So waren sie gezwungen, den Transporter auf eine andere Art zu starten. Kurzschließen, und das kostete Zeit.
Obwohl Justine keinen echten Beweis dafür hatte, blieb sie bei ihrer Meinung. In Sekundenschnelle hatte sie sich einen Plan zurechtgelegt. Sie dachte auch nicht weiter darüber nach, was schief gehen konnte, sie vertraute auf ihr Glück.
Die Vampirin löste sich aus der Gestrüppdeckung. Sie richtete sich beim Laufen nicht auf, blieb geduckt und wieselte mit kleinen, kraftvollen Schritten auf den Wagen zu.
Trotz der Anstrengung gab sie genau Acht, nicht in den Sichtbereich der Spiegel zu gelangen. Zudem hoffte sie darauf, dass die beiden im Fahrerhaus mit anderen Dingen beschäftigt waren, als in den Spiegeln nach Verfolgern Ausschau zu halten.
Die Strecke war nicht besonders lang, aber sie kam ihr länger vor, weil die Zeit drängte – und sie hörte etwas, was ihr überhaupt nicht passte.
Der Motor sprang an!
Jetzt blieb ihr nicht mehr viel Zeit. Wenn der Transporter einmal Fahrt aufgenommen hatte, würde es schwierig werden, ihn zu erreichen. Zum Glück kannte sich der Fahrer nicht so gut aus. Er legte keinen Schnellstart hin. Er hatte einige Probleme, hätte den Motor beinahe abgewürgt und kam auf dem weichen Boden erst langsam in Fahrt.
So holte Justine Cavallo auf. Und sie wusste selbst, dass sie schneller laufen konnte als jeder normale Mensch. Diese Spurtkraft musste sie jetzt einsetzen.
Sie schaffte es!
Plötzlich sah sie die Rückseite der geschlossenen Ladefläche dicht vor sich. Zwei bis vier kurze Schritte noch, den Blick nach unten, dann ein längerer Schritt, und die Blutsaugerin stand mit dem rechten Fuß auf der Anhängerkupplung. Sofort zog sie das linke Bein nach und hielt zugleich Ausschau, wo sie sich festhalten konnte.
Das war nur an den oberen Kanten möglich. Deshalb breitete sie die Arme aus, hob sie an und fasste zu…
***
»Das ist jetzt dein Job,
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