1448 - Flucht ins Bluthaus
doch.«
»Auch das spielt keine Rolle. Außerdem brennt nicht der Kamin, sondern das Holz in ihm.«
Dass Doris Lancaster als Lehrerin gearbeitet hatte, konnte sie nicht verhehlen. Sie war sehr darauf bedacht, ihrem Sohn eine korrekte Sprache beizubringen. Jetzt stand sie auf und nahm den kleinen Bademantel vom Stuhl. Sie ging zu ihrem Sohn und zog ihm das Kleidungsstück über.
Ethan Lancaster saß am Tisch und frühstückte. Der kräftige Mann mit den braunen Haaren war kein Morgenmensch, obwohl er seit seiner Kindheit früh aufstehen musste. Bei ihm lief die Biokurve eben anders. In der Frühe sprach er kaum ein Wort und überließ seiner Frau gern die Arbeit mit Phil. Manchmal schlief der Junge auch länger, aber an diesem Tag war auch er früh auf den Beinen gewesen.
Mit beiden Händen umklammerte der Landwirt seine Tasse. Er schaute über sie hinweg und hinein ins Leere. Dabei drehten sich in seinem Kopf die Gedanken. Er teilte sich bereits jetzt den Tag auf.
Auch im Winter war einiges zu tun. Zwar nicht unbedingt auf den Feldern, aber in den Ställen und in der Scheune, wo er immer wieder Stellen fand, die eine Ausbesserung nötig hatten.
»Kann ich mit Daddy gehen?«
»Nein, das kannst du nicht, Phil. Wenn du ein paar Jahre älter bist, dann kannst du deinem Dad helfen. So lange musst du noch warten. Und heute gehst du am besten wieder ins Bett.« Doris knotete den Gürtel des Bademantels zu.
»Aber ich bin doch nicht mehr müde.«
»Du kannst auch in deinem Zimmer spielen.«
»Und kommst du mit?«
»Nein, mein Kleiner, ich habe hier noch alle Hände voll zu tun. Ich muss aufräumen, auch etwas putzen und die Betten machen.«
»Nicht fernsehen?«
Doris lachte. »Nein, auf keinen Fall. Wie kommst du denn darauf?«
»Ich dachte nur.«
Ethan stand auf. Er reckte sich. Dabei lächelte er Doris und seinem Jungen zu. »Ich denke mal, dass ich mich auf die Socken mache.«
Doris schaute ihrem Mann ins Gesicht. Dabei zeigte sie ein etwas spöttisches Lächeln. »Du siehst nicht eben aus, als hättest du die Arbeit erfunden.«
»Habe ich auch nicht.« Er zog die Schultern hoch. »Ich bin froh, wenn der Winter vorbei ist.«
»Ich auch.«
Ethan beugte sich zu seinem Sohn hinab. »So, großer kleiner Mann. Heute Mittag sehen wir uns wieder.«
»Ich will mit.«
Ethan schüttelte den Kopf. »Später, Superman. Wenn wieder die Sonne scheint und wenn es warm ist. Dann kannst du mir gerne helfen. Heute aber bleibst du im Haus.«
»Wann wird es denn warm?«
»Du brauchst nur noch einige Wochen zu warten.«
»Ist das lange?«
»Nein, nicht so sehr.« Ethan legte seine gegen die Wangen des Kleinen und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »So, jetzt muss ich aber. Pass gut auf deine Mutter auf.«
»Klar, Dad.«
Ethan wandte sich seiner Frau zu, um sich ebenfalls von ihr zu verabschieden. Sie nahmen sich in den Arm und lächelten sich an.
Doris war eine Frau, die ihre Pfunde genau an den richtigen Stellen hatte. Das Leben in der Natur hatte ihrem Gesicht eine gesunde Farbe gegeben. Das Haar war naturblond, auch wenn sie es selbst nicht so gut fand, weil ihr die Farbe ein wenig zu gelb erschien. Aber das war nun mal so. Färben lassen wollte sie es nicht.
Phil schaute nicht mehr hin. Ihm ging etwas anderes durch den Kopf. Noch immer seine Stoffkatze im Arm haltend, drehte er sich um und schaute zur Tür.
Er sagte nichts. Nur seine Augen weiteten sich, als er bemerkte, dass die Tür nach innen schwang. Jemand stand draußen und stieß sie langsam auf.
Der Junge umklammerte seine Katze fester. Er schniefte, dann verzog sich sein Gesicht, als er die große, dunkle Gestalt mit dem kahlen Kopf sah, die plötzlich auf der Schwelle stand.
Bei diesem Anblick jagte ein Schauer der Angst durch seinen kleinen Körper.
Der Mann stand da. Er schaute ihn an und grinste dabei.
»Mum, Dad…«
Doris und Phil hörten den Ruf. Sie lösten sich voneinander, und während sie sich umdrehten, hörten sie wieder den ängstlichen Ruf ihres Sohnes.
Zugleich sahen sie die Gestalt – und wagten es nicht mehr, sich von der Stelle zu bewegen.
Sie sprachen auch nicht, doch jeder von ihnen spürte, dass dies kein normaler Besucher war. Eine derartige Gestalt hatten sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
Auf dem Kopf des Fremden wuchs kein einziges Haar. Sein Gesicht war leichenblass. Ein breiter Mund, schmale Lippen, eine Nase, die in breiten Nasenlöchern endete. Eigentlich eine Figur, die als Clown hätte auftreten können. Wer
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