1449 - Der Knochentempel
»Sie sind der Fachmann, aber auch Sie haben keine Spur. Nur eine Theorie. Sie sind auch Polizist, Mr Sinclair. Sie müssen eine Spur finden. Polizisten sind dazu in der Lage, sage ich mal so forsch. Haben Sie sich vielleicht schon darüber Gedanken gemacht?«
»Nein, das habe ich nicht. Aber es ist der Weg, den ich einschlagen muss.«
»Genau.«
Ich hatte genug gesehen. Auch Ampitius war froh, sich wieder auf den Rückweg machen zu können. Es ist nun mal kein besonderes Vergnügen, neben einer Leiche zu stehen.
Als wir ins Freie traten und die Tür zudrückten, sagte ich Ampitius, was mir in der Zwischenzeit durch den Kopf gegangen war.
»Wenn wir schon von einer Spur sprechen, gibt es meiner Ansicht nach nur einen Weg.«
»Jetzt bin ich gespannt.«
»Wir müssen uns an Charles Kinley halten.«
Ampitius sagte nichts. Er schaute ins Leere und strich dabei durch sein schlohweißes Haar.
»An einen Toten?«
»Ja. Und ich werde noch mal zurück in das Beinhaus gehen und ihn untersuchen. Es kann sein, dass sich in seiner Kleidung etwas findet, das uns weiterhilft.«
»Da kommt der Polizist in Ihnen durch.«
»Sicher.«
»Wollen Sie meine Lampe mitnehmen?«
»Nein, darauf kann ich verzichten. Ich habe selbst eine.«
»Gut, ich warte dann.«
Kurze Zeit später stand ich wieder vor dem Toten. Er lag auf dem Bauch. Ich musste ihn also nicht umdrehen, um ihn durchsuchen zu können. Er trug einen Cordanzug und schwarze Schuhe. Ich griff in die Jackentaschen, wo ich nichts fand. Auch die Innentaschen waren leer. Einen Mantel trug er nicht. Dafür aber eine Hose, und die hatte ebenfalls Taschen.
Dort suchte ich auch nach. Was ich fand, war ein Schlüsselbund mit drei Schlüsseln. Im Licht der Lampe betrachtete ich sie genauer.
Sie sahen aus wie normale Wohnungsschlüssel. Keiner wies darauf hin, dass er mir den Weg zu einem Geheimnis hätte zeigen können.
Ich steckte die Fundstücke trotzdem ein und machte mich wieder auf den Rückweg.
Ampitius schaute mir entgegen und riss die Augen auf, als ich ihm die Schlüssel zeigte.
»Das war alles. Nicht mal eine Geldbörse oder Ausweise«, sagte ich.
»Ich denke, dass sie zu seiner Wohnung gehören, Mr Sinclair.«
»Davon gehe ich auch aus. Und genau das wird unser nächster Schritt sein. Wir werden uns seine Wohnung ansehen und haben dort vielleicht Glück.«
»Das hoffe ich.«
»Was wissen Sie eigentlich über Charles Kinley.« Ich fragte es, als wir bereits auf dem Rückweg waren.
»Nicht besonders viel. Wir hatten ja nur beruflich miteinander zu tun. Er war ein verschlossener Mensch, nicht verheiratet, aber er hatte trotzdem ein kleines Geheimnis.« Als der ehemalige Bischof das sagte, huschte ein Lächeln über seine Lippen.
»Tatsächlich?«
Neben dem Teich blieb er stehen und nickte. »Ja, es sollte keiner wissen.« Jetzt lächelte er. »Es hat eine Tochter, Mr Sinclair. Eine uneheliche Tochter. Sie heißt Ellen.«
Ich war überrascht. »Kennen Sie die Frau?«
»Ich habe sie einmal gesehen.«
»Und?«
»Ellen ist eine normale junge Frau. Ich schätze ihr Alter auf Mitte zwanzig. Und ich kann auch nichts Negatives über sie sagen.«
»Sie wissen, wo sie wohnt?«
»In London.«
»Gut, das lässt sich feststellen.« Ich schaute den ehemaligen Bischof an. »Gehen wir mal davon aus, dass diese Ellen möglicherweise Bescheid weiß, dann müssen wir mit ihr reden. Aber es ist auch wichtig, dass wir uns die Wohnung des Toten ansehen. Ich werde die Mordkommission später anrufen. Wichtig ist jetzt, dass wir einige Spuren finden, und ich denke, dass es gar nicht so schlecht für uns aussieht.«
»Sie sind aber sehr optimistisch, Mr Sinclair.«
»Das bin ich immer, sonst könnte ich mich begraben lassen und meinen Job an den Nagel hängen.«
»Das kann sein.« Er räusperte sich. »Wollen Sie nach London fahren und sich nach Ellen…«
»Nein, nein. Wir gehen zunächst zu Ihnen. Dort werde ich jemanden anrufen, der sich darum kümmern kann.«
»Sie meinen Ihren Freund Suko?«
»Genau.« Ich lachte. »Sie kennen sich aus.«
»Eine gute Information ist immer viel wert«, sagte er. »Das habe ich immer so gehalten.«
»Damit sind Sie stets auf dem richtigen Weg.«
Ampitius seufzte. »Nur bei diesem Beinhaus habe ich versagt. Da weiß ich leider nicht, wer die verdammten Schädel hingestellt und wer sie letztendlich gestohlen hat.«
Ich machte ihm Mut. »Keine Sorge, das werden wir noch herausfinden. Verlassen Sie sich darauf…«
***
Im Haus des
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