1449 - Der Knochentempel
ausgestreckten Zeigefinger nach rechts. »Sie müssen gleich abbiegen, Mr Sinclair.«
»Okay.«
Ich lenkte den Wagen in eine schmale Straße. Da gab es nicht mal Gehsteige. Hier standen recht alte Häuser mit kleinen Fenstern, schmalen Türen und schiefen Dächern. Über allem schwebte der graue Winterhimmel.
Wir fuhren bis zum Ende der Straße, wo die Sicht freier war. Der Weg führte weiter in die Landschaft hinein. Die Häuser, die hier standen, gehörten nicht zu den neuen Bauten. Es gab auch genügend Platz zwischen ihnen. Jedes Haus hatte einen Garten. Die meisten waren eingezäunt.
»Schauen Sie mal nach links, Mr Sinclair. Da sehen Sie gleich ein Haus, ein paar Meter von der Straße weg. Da müssen wir hin.«
»Gut.«
Es gab keinen Weg, der zum Haus führte. Allerdings auch keinen Straßengraben, der uns hätte Probleme bereiten können. Das Gelände vor dem Haus war ebenso flach wie die Straße. Ein Auto parkte nicht davor. Es gab kein Hindernis, das uns den Weg versperrt hätte.
Neben dem Stamm eines Laubbaums mit kahlem Geäst hielt ich an. Bis zur Haustür mussten wir nur drei, vier Schritte gehen. Auf dem Weg dorthin schaute ich mir das Haus näher an, sah eine alte Fassade, an der alles grau in grau war, aber mir fiel auf, dass die Haustür recht neu aussah und mit einem modernen Schloss versehen war. Durch die Fenster konnten wir nicht blicken, weil die Scheiben von innen verhängt worden waren.
Ich holte das Schlüsselbund hervor, sah mir das Schloss an und suchte mit sicherem Griff den richtigen Schlüssel aus.
Der ehemalige Bischof schaute etwas verlegen. Ihm schien nicht recht zu sein, was wir hier taten.
»Soll ich mich nicht mal umsehen?«
»Warum?«
»Ah, schon gut.«
Zweimal musste ich den Schlüssel herumdrehen, dann war die Tür offen. Sie ließ sich sogar recht leicht nach innen drücken, und so betraten wir eine Welt, in der es recht muffig roch. Aber auch nach kaltem Rauch. Ein Zeichen, dass es in diesem Haus einen Kamin gab.
»Waren Sie schon mal hier?«, fragte ich.
»Nein, nicht im Haus. Ich habe den Küster mal begleitet, aber nur bis vor das Haus.«
»Okay.«
»Glauben Sie denn, dass wir die gestohlenen Schädel hier finden, Mr Sinclair?«
Ich schloss die Tür. »Nein, daran glaube ich nicht. Die wird man weggeschafft haben.«
»Wohin?«
»Keine Ahnung. Ich denke, dass hier nur der Anfang der Spur ist, falls wir etwas finden.«
»Ja, das denke ich auch.«
Es war kein großes Haus, das hatte ich schon von außen gesehen.
Es gab auch keinen Keller, denn eine Treppe war nicht zu sehen.
Wohl eine, die nach oben führte.
Wir gingen durch einen schmalen Flur, in dem es nichts Besonderes zu sehen gab, in einen größeren Raum, in dem wir den Kamin entdeckten. Auf seinem Sims standen einige Tassen und Schalen.
Die Einrichtung war altertümlich, um es vornehm zu sagen. Sie hätte auch vom Sperrmüll stammen können. Wobei man die Möbelstücke beim besten Willen nicht als Antiquitäten bezeichnen konnte.
Etwas fiel doch auf, und darüber wunderten wir uns beide.
Auf einem recht wuchtig wirkenden Sideboard stand ein Fernseher. Ihm angeschlossen war ein Video-Recorder. Zwei Kassetten lagen auf dem Recorder, der neben der Glotz stand.
Kein DVD-Spieler, auch kein Flachbildschirm, und doch war die Glotze moderner als die gesamte Einrichtung. Und wir sahen, dass davor ein alter Ohrensessel stand.
»Sein Hobby scheint das Fernsehen gewesen zu sein«, murmelte der ehemalige Bischof.
»Ja, und Filme von Kassetten.«
»Wie bei vielen Menschen.«
Da widersprach ich nicht, aber ich wunderte mich über die beiden Kassetten, die auf dem Recorder lagen. Ich konnte mir vorstellen, dass ihr Inhalt für den Küster besonders wichtig gewesen war, sonst hätte er sie wohl im Sideboard verstaut.
Ich nahm die erste und schaute mir die Schmalseite an, die tatsächlich eine Beschriftung zeigte.
»Die großen Kirchen der Welt«, murmelte ich.
»Für einen Küster nicht ungewöhnlich, Mr Sinclair.«
»Richtig.« Ich legte die Kassette wieder zur Seite und nahm mir die zweite vor.
»Was steht dort?«, fragte Ampitius.
»Nichts.«
»Seltsam.«
»Das finde ich auch. Und deshalb sollten wir uns die Kassette mal anschauen.«
»Es ist Ihre Zeit, Mr Sinclair.«
»Ich weiß. Vergessen Sie nicht, dass wir an zwei Fronten tätig sind.«
»Klar.«
Ich schalte die Glotze ein und schob die Kassette in den Recorder.
Eine Fernbedienung lag auf dem Apparat, und der Rest war ein
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