145 - Jagd auf den Zeitkristall
man von der Gepflegtheit des Anwesens auf das Innere schließen durfte. Die Fassade war geschmackvoll bemalt, Türgriffe und das Ziergitter der Schutzmauer vergoldet. Dorian, der Coco über die Schulter sah, pfiff leise durch die Zähne. Ob schon mal einer versucht hatte, ein Stück vom Gitter zu klauen und mit der Goldauflage glücklich zu werden? Coco ließ das Bild in der Kugel erlöschen und verwischte die Symbole.
„Die Straße hat einen sehr bezeichnenden Namen", sagte sie. „Lang und klangvoll wie alles in Italien."
„Laß hören."
„Via del Palazzo dei Diavoli", sagte Coco. „Lach nicht, Rian. Die Straße heißt tatsächlich so!" „Straße des Teufelspalasts", murmelte Dorian. „Wirklich, sehr stilvoll. Wer sonst als eine Dämonensippe sollte dort wohnen." Er faltete den Stadtplan auseinander, den er gekauft hatte, und suchte die Straße. Bis zu dem Moment, in dem er sie eingezeichnet fand, hatte er sie noch halbwegs für einen Scherz gehalten. Südlich des Arno zweigte die Teufelspalaststraße spitzwinklig von der Via Bronzino ab und führte durch eine Unmenge an Ortsteilen.
„Nun gut", sagte Dorian. „Begeben wir uns dorthin und räumen auf, so schnell wir können. Wir haben schon genug Zeit in Venedig verloren." Er nahm seine Ausrüstung an sich, das magische Pulver, das Fläschchen mit dem Weihwasser, und den beinernen Kreuzdolch, der aus dem Horn eines Teufels geschnitzt und mit Bannzeichen verziert war. Das alles wanderte ins Gürteltäschchen. Dazu kam die Pistole mit den Pyrophoritkugeln und der Kommandostab, von dem er noch nicht genau wußte, wozu er ihn in diesem Fall gebrauchen konnte. Coco rüstete sich ähnlich aus.
„Wir müssen damit rechnen, daß sie mit uns rechnen", sagte die abtrünnige Hexe. „Sie werden uns Fallen stellen. Und ich glaube, die magische Glocke ist auch unseretwegen errichtet worden. Ich werde nicht hindurchkönnen, und auch du wirst Schwierigkeiten haben."
„Wir könnten versuchen, die Glocke zu sprengen", sagte Dorian.
„Sagte der kleine Fritz. Ich halte es für sinnvoller, einen der Dämonen abzufangen, wenn er die Villa verläßt oder betritt. Immerhin haben sie in der Stadt ein Geschäft. Wenn wir den Dämon unter unsere Kontrolle bekommen, haben wir schon so gut wie gewonnen."
Dorian verzog das Gesicht.
„Klingt ebenso einfach wie mein Vorschlag", sagte er spöttisch. „Gut, sehen wir uns mal vor Ort um."
Ettore Zardoni preßte die Hände gegen die Schläfen. Er taumelte. Angelina hatte den Schock besser verkraftet. Sie huschte ins Zimmer zurück, in dem der Wahnsinnige so überraschend aufgetaucht war.
Vittorio lag am Boden und regte sich nicht. Aus einigen Wunden sickerte sein schwarzes Blut. Seine Gestalt begann langsam durchscheinend zu werden.
„Er stirbt", sagte Angelina gefühllos. Ettore tauchte hinter ihr auf. „Wir müssen diesen Magier umbringen, bevor er uns alle umbringt", keuchte er.
„Davor muß ich warnen", sagte Angelina. „Ich traue ihm nicht über den Weg. Wir müssen ihn solange am Leben lassen, bis unser Projekt geglückt ist."
Vittorio öffnete die Augen. Sie leuchteten nicht mehr, sondern waren jetzt stumpfgrau. Den gleichen Farbton hatte seine Haut angenommen. Die Finger wurden zu knochigen Klauen. Vittorio stöhnte. „Ihr… werdet es… vollenden", krächzte er.
Ettore nickte. „Natürlich", sagte er.
Vittorio wurde endgültig durchsichtig. Dann löste er sich völlig auf. Seine Kleider fielen raschelnd zusammen.
„Fluch über Condano", fauchte Ettore zornig.
Angelina sah sich im Zimmer um. Auf dem Tisch lag der Kristall. Aber er lag anders, als sie ihn hingelegt hatte, als sie von unten kam. Die Dämonin wurde mißtrauisch. Sie nahm den Kristall auf und glaubte, er fühle sich eine Kleinigkeit leichter an. Da versenkte sie sich blitzschnell in ihn und kontrollierte ihn.
Etwas war anders.
„Es ist der falsche Kristall", sagte sie tonlos. „Dieser dreimal verfluchte Hund hat die Kristalle vertauscht. Er hat jetzt den echten. Mit diesem hier werden wir kaum etwas anfangen können. Erstens ist er noch nicht endgültig fertig, und zweitens… Condano hatte vor, uns mit zwei Kristallen auszutricksen, ich hatte also doch recht."
„Womit?" stieß Ettore hervor.
„Mit meiner heimlichen Vermutung, daß er seinen Wahnsinn bewußt steuern kann. Er ist teuflisch schlau. Eigentlich müßte ich ihn bewundern. Aber…"
„Wir müssen Vittorios Willen erfüllen", sagte Ettore.
„Hat er ein Schwarzes
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