1453 - Die ruhelosen Engel
heißt, sie hatten ihre Herkunft und Kultur nicht vergessen.
Wo Armut herrscht, lauert auch das Verbrechen, und so hatte diese Gegend nicht eben den besten Ruf. Dass Bill Conolly, sein Sohn Johnny, Suko und ich sie als Ziel hatten, lag an einer bestimmten Person, die man als eine besondere Frau ansehen konnte.
Es war die Voodoo-Mutter!
Wenn uns nicht alles täuschte, war sie die wahre Herrscherin in diesem Viertel. Man konnte sie auch als eine Art Patin ansehen, sowohl im Positiven als auch im Negativen.
Aus eigenem Antrieb gingen wir nicht zu ihr, denn wir waren einer Einladung von ihr gefolgt. Sie hatte uns zu sich gebeten, um mit uns zu reden. Und sie hatte uns auch den Weg beschrieben.
Wir waren mit dem Rover gefahren. Einen Parkplatz hatten wir gefunden und konnten nur hoffen, dass wir unseren Wagen so wieder vorfanden, wie wir ihn verlassen hatten.
Über die Gründe der Einladung hatte sie nicht gesprochen. Oder nur sehr vage, denn sie hatte angedeutet, dass sie uns noch etwas schuldig war.
Nun, wir hatten zugestimmt, denn die Voodoo-Mutter war eine besondere Persönlichkeit. Sie hörte auf den Namen Erzulie. So hieß auch eine der mächtigen Voodoo-Göttinnen, in deren Namen sie herrschte.
Wir wussten noch nicht, wie wir sie einschätzen sollten. Zuerst war sie unsere Gegnerin gewesen, weil sie sich auf die Seite des Magiers und Hexenmeisters Kilgo gestellt hatte. Dann hatte sie nachgedacht, eine Kehrtwendung vollführt und sich auf unsere Seite geschlagen.
Wir wunderten uns nur darüber, dass sie auch die beiden Conollys zu sich bestellt hatte. Darauf hatte sie sogar bestanden und besonders Johnny erwähnt.
Nur Sheila war nicht mitgekommen. Sie hatte ihren beiden Männern eingeschärft, nur vorsichtig zu sein, und das hatten Bill und Johnny ihr versprochen.
Da sie uns den Weg beschrieben hatte, konnten wir ihn auch leicht finden. Hinterhöfe erreicht man meistens durch eine Einfahrt, und das war auch hier der Fall.
Wir sahen niemanden, doch wir glaubten, von zahlreichen Augen beobachtet zu werden. Das war nicht tragisch, das war normal. Es gehörte in dieser Gegend dazu, wo man sich abschottete und auch immer mit Feinden rechnen musste.
In der nahen Vergangenheit hatte es zahlreiche rassistische Auseinandersetzungen gegeben, und sie würden auch in Zukunft nicht ausbleiben, das stand für mich fest. Viele Menschen konnten und wollten eben nicht zusammenfinden.
Am Beginn der Einfahrt standen zwei Typen. Sie taten so lässig, spielten die coolen Nichtstuer, aber genau das waren sie nicht. Sie standen bewusst hier, und Suko, der neben mir ging, begann plötzlich leise zu lachen.
»Sieh an, sieh an«, sagte er, »die kenne ich doch.«
»Woher?«
»Es sind die beiden Bodyguards der guten Mutter, die mir eigentlich die Kehle hatten durchschneiden sollen. Es kam glücklicherweise anders.«
Suko war ebenfalls erkannt worden. Die beiden Schwarzen traten uns entgegen und begrüßten uns mit einem breiten Grinsen.
»Wir haben hier auf euch gewartet.«
»Und weiter?«, fragte Suko.
»Wir bringen euch zur Mutter.«
»Dann geht mal vor.«
Das taten sie.
Sehr bald schon erkannten wir, dass die Mutter sich ein regelrechtes Warnsystem aufgebaut hatte. Denn in der halbdunklen Einfahrt lehnten mehrere Gestalten an den Wänden. Sie waren dunkelhäutig, und da sie zudem noch dunkle Kleidung trugen, verschmolzen sie beinahe mit den Mauern. Nur das Weiße in ihren Augen war zu sehen.
Sie alle wussten Bescheid, denn sie griffen uns nicht an. Es wurde auch kein böses Wort gesagt, das einen rassistischen Klang gehabt hätte. Die Macht der Mutter reichte weit.
Ich gewöhnte mich schnell an die Umgebung. Auf dem Hof brannten einige trübe Lampen, auf deren Licht man auch hätte verzichten können. Hin und wieder malten sich gelbe, diffuse Flecken auf dem alten Pflaster ab, das löchrig und rissig war, sodass wir Acht geben mussten, nicht zu stolpern.
An den Rückseiten der Häuser führten Treppen zu den entsprechenden Kellern, und auch wir bewegten uns auf eine davon zu.
»Im Keller?«, fragte Suko.
»Ja.«
»Okay.«
Die Treppe war recht schmal, sodass wir hintereinander gehen mussten. Sie endete vor einer normalen Tür, die von einem unserer Führer geöffnet wurde. Augenblicklich nahmen wir den fremden Geruch wahr, der uns aus der Öffnung entgegen quoll.
Ich schnupperte.
Zuerst hatte ich an »Gras« gedacht. Es traf nicht zu. Dieser Geruch war anders. Er setzte sich aus zahlreichen Ingredienzien
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