1453 - Die ruhelosen Engel
zusammen, die für mitteleuropäische Nasen fremd waren.
Wir betraten einen Kellerraum, der eigentlich keiner war, weil auf dem Boden dicke Teppiche in mehreren Schichten lagen. Uns fiel im schwachen Licht der Beleuchtung so etwas wie ein Thron auf, der sicherlich der Platz für die Voodoo-Mutter war.
Der Sessel war leer. Das Licht stammte von einer schmalen Deckenleuchte. Es war nicht besonders kräftig und reichte soeben aus, sich zu orientieren.
Ich schaute mich zwar um, doch Verdächtiges fiel mir nicht auf.
Allerdings besaß ich genügend Fantasie, mir vorstellen zu können, dass die Mutter hier unten ihre Beschwörungen durchführte und dort auch ihre »Kinder« empfing.
Der schmale Flur hinter einer zweiten Tür endete vor einer Treppe. Die gingen wir hoch und erreichten den Hausflur, ohne eine weitere Tür aufstoßen zu müssen.
Das Treppenhaus wurde zwar durch die graue Dämmerung gnädig verhüllt, doch ich konnte mir vorstellen, dass die morschen Stufen einer Sicherheitsüberprüfung nicht Stand gehalten hätten.
»Müssen wir hoch?«, fragte Suko, der möglicherweise die gleichen Bedenken hatte wie ich.
»Nein.«
»Das ist gut.«
Vor einer Tür stand ein weiterer Aufpasser. Seine Lederjacke schimmerte in der Düsternis. Als er uns sah, trat er einen Schritt zur Seite, damit unsere beiden Führer die Tür öffnen konnten und wir Platz hatten, die Wohnung zu betreten.
Es war das Reich der Voodoo-Mutter, in der sie ihre Beschwörungen durchführte.
Ich wunderte mich über die Größe der Wohnung. Der Grund war schnell zu sehen. Man hatte Wände entfernt, um so größere Zimmer zu schaffen, und in einem davon erwartete uns Erzulie.
Wir befanden uns in einer Art Wohnzimmer, das mit dicken Polstermöbeln ausstaffiert worden war.
Die breite Couch mit dem dunkelroten Samtbezug. Die Sessel, die ebenfall breit und ausladend waren. Ein großer, ovaler Tisch mit einer weißen Decke, auf der zwei Kerzenleuchter ihren Platz gefunden hatten. Die dunklen Dochte waren blank und stachen wie schwarze Finger in die Höhe.
Für das nötige Licht sorgten Wandleuchten in der Form afrikanischer Masken, und es traf auch die Frau, die am Kopfende des ovalen Tisches ihren Platz gefunden hatte.
Wieder diente ihr ein thronähnlicher Sessel. Die Mutter sah so aus, wie wir sie erst vor kurzem erlebt hatten. Sie trug auch jetzt das gelbe Kleid aus dem changierenden Stoff. Um den Kopf hatte sie wieder ein Tuch geschlungen, das einem verunglückten Turban ähnlich sah. Jedenfalls bot sie das Bild, das wir kannten, und auch die dunkel umrandeten Augen in ihrem Gesicht waren uns nicht neu.
Die dunkle Haut schimmerte auf den Wangen bunt, als klebten dort winzige Konfettistücke. Und die breiten Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, sodass die Zahnreihen wie mit Perlmutt bestrichen schimmerten.
»Da seid ihr ja«, begrüßte sie uns.
»Und sogar pünktlich«, sagte Bill.
»Das habe ich nicht anders erwartet.« Sie breitete die Arme aus.
»Wollt ihr euch nicht setzen?«
»Egal wohin?«
»Du kannst es dir aussuchen, Bill.«
Wenig später rahmten wir die Voodoo-Mutter ein. Johnny saß mit seinem Vater zusammen, während Suko links von mir seinen Platz in einem der bequemen Sessel gefunden hatte.
Bis auf Johnny verhielten wir uns ruhig. Er drehte den Kopf und interessierte sich besonders für die Lichtinseln. Die Masken sahen schaurig aus. In ihnen schien ein unheimliches Leben zu stecken.
Einer der Aufpasser betrat den Raum. Er brachte Getränke und Gläser. Bei der Flüssigkeit handelte es sich um normales Wasser und nicht um ein Elixier.
»Johnny, du kannst einschenken.«
»Ja, gern.«
»Denn du bist wichtig.«
Johnny stutzte, wir anderen allerdings auch, denn wir hatten nicht begriffen.
»Warum ist mein Sohn wichtig?«, fragte Bill.
»Das werde ich euch gleich erklären. Vorweg sage ich, dass ich euch nicht zum Spaß hergebeten habe.«
»Davon sind wir ausgegangen«, murmelte ich.
Johnny schenkte ein und verteilte die Gläser. Auch die Mutter wollte etwas trinken, und erst als wir alle einen Schluck genommen hatten, kam sie zur Sache. Allerdings sprach sie noch von der Vergangenheit. Es ging ihr um Kilgo, und sie gab zu, auf den Falschen gesetzt zu haben.
»Aber auch ich kann mich mal irren.«
»Das ist nur menschlich«, fügte ich hinzu.
»Ja, es ist menschlich. Die Menschen sind etwas Besonderes. Aber sie belassen es oft nicht dabei, weil sie mehr und immer mehr wollen. Das normale Dasein reicht ihnen
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