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1455 - Das Gewissen des Henkers

1455 - Das Gewissen des Henkers

Titel: 1455 - Das Gewissen des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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selten vor, dass sich Vic Morrow völlig überrascht zeigte und dabei sogar erstarrte. Hier allerdings war es der Fall. Er konnte nichts sagen. Die richtigen Worte fielen ihm nicht ein. Und wenn sie ihm eingefallen wären, dann wären sie ihm im Hals stecken geblieben. So konnte er nur starren und fühlte genau, wie ihm das Blut heiß ins Gesicht stieg.
    »Ähm – habe ich mich verhört?«
    »Nein, das hast du nicht.«
    »Sehr schön. Dann bist du also hier, um dein Gewissen bei mir zu erleichtern.«
    »So ist es.«
    »Wäre ein Pfaffe da nicht der bessere Ansprechpartner?«
    »Nein, nicht in diesem Fall. Es geht um dich, aber auch um deine Ahnen aus viktorianischer Zeit. Dort gab es ebenfalls eine Familie Morrow, der ich Unrecht getan habe. Ich habe mich darauf eingelassen, sie zu ermorden. Den Mann, die Frau und auch den Sohn. So konnte mein Auftraggeber das Geschäft übernehmen, den Import von Kaffee und Tee. Ich habe diese Taten bereut, die nicht im offiziellen Auftrag geschehen waren. Die reine Geldgier trieb mich dazu, aber ich habe schrecklich dafür büßen müssen, denn ich fand nach meinem Tod keine Ruhe. Das Jenseits wollte mich nicht dorthin lassen, wo fast alle sind.«
    »Dann bist du also tot«, sagte Morrow. »Oder musst tot sein!«
    »Ja, das stimmt.«
    »Aber du sitzt vor mir!«
    »Wie du siehst!«
    »Warum?«
    Der Henker blieb geduldig. »Ich habe versucht, dir das zu erklären. Erst wenn du meine Entschuldigung angenommen hast, komme ich zur Ruhe. Andere haben das schon getan.«
    Vic Morrow hatte zugehört. Je mehr er da gesagt bekam, umso sicherer war er, es mit einem Irren zu tun zu haben, der aus irgendeiner Anstalt geflohen war. Er glaubte nicht daran, was man ihm da erzählte, und schüttelte den Kopf.
    Er fühlte sich verarscht, er musste diesen Typ einfach für einen Spinner halten, das sagte ihm die Logik. Aber da gab es noch eine Stimme in seinem Innern, die ihn davor warnte. Und er war eigentlich immer gut damit gefahren, wenn er auf sie gehört hatte.
    Morrow wusste nicht, was er noch glauben oder denken sollte. Für ihn war noch immer sehr wichtig, wie dieser Henker ungesehen bis zu ihm gelangen konnte. Das war normalerweise unmöglich, und doch hatte er es geschafft.
    »Nimmst du die Entschuldigung an, Victor? Ich würde mich sehr freuen. Du würdest mir damit sehr helfen.«
    Morrow sorgte für ein taktisches Husten, damit er etwas Zeit zum Nachdenken gewann.
    »Das kann es doch nicht geben, verdammt. Du bist – ich meine – du bist ein Mensch, oder?«
    »Nicht ganz.«
    »Was bist du dann?«
    »Ich bin schon tot«, sagte der Henker.
    »Hör auf, verdammt!«
    »Ja, ich bin tot. Und das bereits sehr lange. Aber ich finde keine Ruhe. Ich bin vom einem Engel der Hölle erwartet worden. Er ist es, der für meine Existenz sorgt, die ich nicht länger ertragen kann, weil es einfach zu furchtbar für mich ist.« Er nickte Vic Morrow zu. »Du bist der Letzte in der Reihe. Wenn du mir verzeihst, habe ich meine endgültige Ruhe gefunden.«
    Vic wusste nicht, warum er es tat, aber er musste plötzlich lachen.
    Er bog den Kopf zurück, riss seinen Mund weit auf, aber es brauste kein Gelächter gegen die Decke, sondern nur ein Glucksen, das alles andere als natürlich klang.
    Lincoln Lester saß neben ihm und tat nichts. Er beobachtete den Wettpaten nur, aber seine Augen veränderten sich. Das Rot leuchtete jetzt intensiver.
    Schlagartig brach das Glucksen ab. Der Blick, mit dem Morrow seinen Nebenmann bedachte, war nicht eben freundlich.
    »Bitte, Vic…«
    »Jetzt halt mal dein Maul!« Morrow war ernstlich sauer. »Wenn du jemanden verarschen willst, dann hast du dir den Falschen ausgesucht. Ich habe mir deinen Scheiß angehört. Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, zu mir hereinzukommen, aber ich werde es aus dir herausbekommen. Und dann brauchst du keinen mehr, der dir etwas verzeiht. Klar?«
    »Du sperrst dich?«
    »Ja!«
    »Das ist sehr schade!«
    »Geh mir nicht auf den Geist. Ich weiß nicht, welche Tricks du hier eingesetzt hast, aber bei mir bist du an der falschen Adresse.«
    Im nächsten Moment stieß er einen schrillen Pfiff aus.
    Es war das Zeichen für die vier Kartenspieler. Sie ließen ihre Blätter fallen und sprangen von ihren Stühlen hoch. »So«, sagte Morrow, »jetzt werden wir mal nach meiner Diktion reden, Henker, und ich denke nicht, dass dir das gut bekommen wird…«
    ***
    Der Henker blieb gelassen. Er veränderte seine Sitzhaltung nicht und drehte nur ein wenig

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