1455 - Das Gewissen des Henkers
verdammt harte Dinge akzeptieren müssen, und sie wusste, dass es selbst für die schlimmsten Dinge eine Erklärung geben musste.
Auch hier!
»Aber nicht für mich«, flüsterte sie und schaute dabei auf das Fenster. »Nicht für mich…«
Sie wusste nicht mehr weiter. Aber ihr war klar, dass sie das Geschehen nicht einfach auf sich beruhen lassen und vergessen konnte.
Sie würde immer daran denken müssen, dass jemand freigekommen war, der in seinem Leben schreckliche Bluttaten vollbracht hatte. Viele waren sicherlich über sein Ableben froh gewesen.
Und nun war der Henker wieder da!
Was würde er tun?
Es lag auf der Hand, dass er sich mit einer einfachen Rückkehr nicht zufrieden geben würde. Einmal Henker – immer Henker. Sie musste damit rechnen, dass es Tote gab, und genau das wollte Fiona nicht. Bevor der erste Mensch durch den Henker sein Leben verlor, musste diese Bestie gestoppt werden.
Aber wer konnte das? Und wer würde ihr glauben?
Diesmal brauchte Fiona Lester nicht lange nachzudenken. Sie war zwar nicht bei Scotland Yard angestellt, aber dort gab es einen Menschen, der sich um derartige Dinge kümmerte.
Fiona kannte auch seinen Namen.
Der Mann hieß John Sinclair!
***
»Wie heißt die Frau noch, mit der du dich treffen willst?«, fragte Glenda Perkins und schaute mich dabei irgendwie lauernd an, als wollte sie mir nicht glauben.
»Fiona Lester«, sagte ich.
»Eine Polizistin?«
»So sagte sie.«
Glenda nickte. »Das stimmt sogar. Ich habe nachgeforscht.«
»Perfekt, dann kann ja nichts mehr passieren.«
Glenda blieb hartnäckig. »Kannst du denn sagen, um was es genau bei diesem Treffen geht?«
»Nein, das kann ich nicht.« Ich trank die Kaffeetasse leer. »Sie sprach von einer spukhaften Erscheinung, als sie mich anrief. Außerdem fiel der Begriff Henker, und frage mich nicht, welchen Zusammenhang es da gibt. Es war ihr zudem peinlich, hier in mein Büro zu kommen. Sie fürchtete sich davor, gesehen zu werden. Sie wollte auch nicht ausgelacht werden.«
»Glaubst du ihr denn?«
»Sonst würde ich mich nicht mit ihr treffen. Ihre Stimme jedenfalls klang recht überzeugend.«
»Gut, dann viel Spaß. Und wo genau geht es hin?«
Ich drückte mich von meinem Schreibtischstuhl hoch. »Nach Aveley. Östlich von Dagenham.«
»Ach, da wohnte mal eine Bekannte von mir.« Glenda nickte.
»Nette Gegend, wirklich.«
»Okay, ich erzähle dir später, was Sache ist. Es kann ja sein, dass ich mir eine Geschichte anhören muss, die ich gleich wieder vergessen kann.«
»Schönen Tag noch.«
Ich lachte und verließ das Büro. Suko würde später kommen. Er hatte etwas Privates zu erledigen, das mit seinen Landsleuten zusammenhing.
Im Büro war es warm gewesen. Ganz im Gegensatz zu draußen.
Dort schien zwar die Sonne, aber der Winter wollte einfach nicht weichen. Auch Anfang März hielt er die Stadt noch fest in seinem Griff. In der Nacht hatte es noch starken Frost gegeben, und das war an diesem Morgen noch zu spüren. Trotz des Sonnenscheins stiegen die Temperaturen nur langsam an.
Geschneit hatte es zwar nicht, aber auf manchen Dächern lag die weiße Schicht noch festgefroren.
Ich würde nicht bis nach Aveley fahren. Fiona Lester und ich hatten am Telefon vereinbart, uns in London zu treffen. Von dort ging es dann zum eigentlichen Ziel. Piccadilly war ausgemacht. Sie würde an einer bestimmten Haltestelle stehen. Ich sollte Bus spielen und in die Haltebucht hineinrollen.
Wie immer kam ich nur langsam voran, und am Piccadilly staute sich natürlich der Verkehr. Zum Schutz gegen das grelle Sonnenlicht hatte ich eine Sonnenbrille aufgesetzt.
Die Haltestelle war nicht zu übersehen. Ich rollte in die Bucht hinein und setzte darauf, dass Fiona schon warten würde, denn länger durfte ich hier nicht stehen.
Ich war der Einzige, der so fuhr, und das hatte auch die Frau mit den dunklen Haaren gesehen, die zivil gekleidet war.
Kaum hatte ich gestoppt, zog sie die Tür auf der linken Seite auf.
»John Sinclair?«
»Ja. Steigen Sie ein.«
»Okay, danke.«
Die Aktion hatte nur wenige Sekunden gedauert. Fiona saß kaum, da gab ich schon wieder Gas.
»Bleibt es bei Aveley?«
Sie nickte. »Wenn wir in der Nähe sind, werde ich alles genau erklären.«
»Gut.«
Ich hatte Zeit genug gehabt, sie mir anzuschauen. Fiona Lester war ein Durchschnittstyp. Nicht übermäßig hübsch, sodass sie auffiel, aber sie hatte ein nettes Gesicht, dunkle Augen und dunkle Haare, deren Farbe ich als echt
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